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Der richtige Reifendruck…

Auf dem Weg nach Korsika, zu einer zweiwöchigen Freizeit der Schutzhilfe, machten wir zwei Tage Halt in Marseille. Mit 14 pubertären Jugendlichen, in zwei VW Bussen, auf Tour zu sein, ist nicht nur aufregend, sondern richtig stressig. Da brauchten wir eine Pause. Auf einem städtischen Campingplatz, am Rande dieser riesigen Hafenstadt.

Die Nacht waren wir durchgefahren und bauten früh morgens zwei Zelte auf. Provisorisch, für eine Nacht. Aber nicht zum schlafen, sondern es ging gleich weiter. Auf Erkundungstour.

Mein Kollege fuhr mit acht Jugendlichen in die Camargue. Ich in die Stadtmitte von Marseille, um das Hafenambiente, die pulsierende Ader der französischen Riviera, zu erleben. Die Suche nach einem Parkhaus, war nicht einfach. Wen wunderte es? Wahrscheinlich hatten tausende Touristen die gleich Idee, wie wir.

Doch da wurden wir fündig. Endlich. Also, nichts wie rein ins Parkhaus. Aber, was war das denn? Ein furchtbarer Krach ließ mich aufs Bremspedal treten. Vollbremsung, der Bus stand und meine Bus-Mannschaft grölte. Sie waren immer für einen Spaß zu haben. Aber es war kein Spaß, was folgte.

Ich schälte mich aus dem Fahrersitz und dachte mich tritt ein Pferd. Der Bus war zwischen Boden und Decke des Parkhauses regelrecht eingekeilt. Eigentlich passte ein VW Bus in das Parkhaus, aber eben nicht mit einem Gepäckträger auf dem Dach. Den hatte ich völlig vergessen. 

Nichts ging mehr. Jedenfalls nicht, ohne das Fahrzeug zu demolieren. Wir hatten nicht viel Zeit, verblüfft um den Bus herumzustehen, denn nun brach die Hölle los. Ein ohrenbetäubendes Hupkonzert malträtierte nicht nur unsere Ohren, sondern auch das Gemüt und meine Nerven. Innerhalb kürzester Zeit hatte sich ein riesiger Rückstau gebildet. Also konnten wir auch nicht mehr zurück. Die hinter uns, hatten kein Verständnis für unsere Situation und ließen ihre Wut an ihren Hupen aus. Was sollten wir tun?

Einer der Fahrer erbarmte sich schließlich unser. Wahrscheinlich wollte er ebenfalls nur schnell ins Parkhaus. Das ging jedoch nur, wenn er das Hindernis, also uns, beseitigte. Reine Notwehr also. 

Es war ein Franzose. Komisch in Marseille, oder? Schlecht, denn ich verstand ihn nicht und er mich nicht. Mit fuchtelnden Händen und wilder Gebärdensprache, machte er mir klar, was nun notwendig war. Der rettende Gedanke, das einzige Mittel, um der Schmach und dem Lärm zu entkommen. Die Ventile an allen Reifen aufdrehen, um soviel Luft entweichen zu lassen, dass der Dachgepäckträger oben nicht mehr kratzte. Mit aller Inbrunst hoffte ich, dass wir nicht auf den Felgen weiter fahren mussten. Vor allem aber, dass es reichte, um überhaupt ins Parkhaus fahren zu können.

Millimeter für Millimeter ließen wir Luft ab. Wie bei einem U-Boot. Wir mussten ja bei allen vier Reifen die gleiche Luftmenge ablassen, um nicht wieder hängen zu bleiben.

Schließlich reichte es. Gerade so, um noch Luft im Reifen zu haben. Ich fuhr langsam rein und enterte den ersten freien Parkplatz, den meine ausgeschwärmten Jugendlichen gefunden hatten. Puh, geschafft!

„Das Abenteuer Marseille fängt ja gut an!“, dachte ich und wischte mir den Schweiß aus dem Gesicht.

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Das verbotene Buch.

Mitte der sechziger Jahre, war ich Oberfeldwebel bei der Bundeswehr. Und, wie mehrfach schon geschrieben, Spieß einer Ausbildungskompanie.

Meine Rekruten waren also nur zur Ausbildung und 3 Monate bei uns. Dann wurden sie vom Bataillon angefordert und in andere Kompanien versetzt. Diese Kompanien suchten sich ihre Soldaten heraus. Meist schauten sie dabei nach den Berufen im Zivilleben.

Hatten wir selbst Bedarf, fischten wir uns die besten Soldaten, schon vor der Verteilung, aus dem vorhandenen Pool. Zum Beispiel für die Waffenkammer, die ungefähr 200 Waffen beherbergte. Diese mussten ständig gepflegt und gewartet werden. Überwacht durch laufende Kontrollen, standen wir ständig unter Druck, gute Leistung abzuliefern. Daher schien uns ein Ingenieur, von Mercedes-Benz, gerade recht für solch einen anspruchsvollen Job. Man gönnte sich ja sonst nichts.

So hatten wir im Stammpersonal meistens hervorragende Leute. Die Elite sozusagen. Die anderen Kompanien, mussten sich mit dem Rest zufrieden geben. So ist die Welt eben. Hart, aber ungerecht.

Mit diesen Soldaten, kamen wir bei Kontrollen, Inspektionen und sonstigen Überprüfungen immer sehr gut weg. Mein Chef, ein Hauptmann, war mehr als zufrieden mit mir, fiel doch diese Bestleistungen nicht nur auf ihn zurück. Ich war ebenso froh, weil es auch auf mich ein gutes Licht warf, da ich das organisierte.

Als Anerkennung meiner guten Leistungen, schlug mich mein Hauptmann daher bei der vorgesetzten Dienststelle, dem Bataillon, für eine besondere Auszeichnung vor. Eine formelle Anerkennung, so nannte sich das. Außer einem positiven Eintrag im Personalregister, wurde diese Belobigung, vor der angetretenen Kompanie verlesen. Das war schon was. Zudem gab es als Präsent ein Buch, das bei dieser Zeremonie übergeben wurde. Das wichtigste, aber waren drei Tage Sonderurlaub, die eine solche Auszeichnung einbrachte. Ein Häppchen persönliche Freiheit, nach dem ich, wie ein Fisch im Wasser, gerne schnappte.

Da mir das Geschäftszimmer, mit 3 Schreibkräften und einem Unteroffizier unterstand, erfuhr ich natürlich vom Schriftverkehr, der zwischen meinem Kompaniechef und dem Bataillonskommandeur geführt wurde. Es sollte selbstverständlich geheim bleiben. Was hatten sich meine Chefs eigentlich dabei gedacht? Es musste denen doch klar gewesen sein, dass mir das zu Ohren kommen würde. Schließlich waren das meine Leute in der Schreibstube. Diese hatten es mir postwendend zugeflüstert. Absolut vertraulich natürlich. Daher freute mich schon unbändig darauf, vor allem auf den zusätzlichen Urlaub.

Mein Chef fragte mich, ohne zu verraten wofür, was für ein Buch ich mir gerne anschaffen wollte oder vielleicht bald kaufen würde. Innerlich schmunzelte ich über das pfiffige Gesicht, das er dabei machte.

In den Buchhandlungen, wurde gerade ein Knüller beworben, der mich sehr interessierte. „Rettet die Bundeswehr“, von einem Herrn Studnitz geschrieben. In verschiedenen Kapiteln, belichtete dieser die Bundeswehr aus einer ganz anderen Sicht. Das fand ich spannend. Das wollte ich haben.

Mein Chef gab diese Info direkt ans Bataillon weiter. Zufrieden mit sich, dass er seinen Teil des Auftrages abgearbeitet hatte. Das Buch wurde angeschafft und dem Bataillonskommandeur zur Unterschrift vorgelegt.

Wenige Tage danach, wurde mein Chef zum Batallionskomandeur zitiert. Über den Flurfunk hörte ich auch bald warum.

Dieses Buch sei ja ungeheuerlich. Wehrkraft zersetzend. Nestbeschmutzung. So einen Schund, würde nicht mit Geld der Bundeswehr gekauft und er würde schon gar nicht darin seine Unterschrift setzen. Was er sich denn dabei gedacht hätte, wurde mein Chef angebrüllt. „Besorgen sie sofort ein anderes Buch!“

Offen sagen, wollte es mir mein Chef nicht, als er, wie ein begossener Pudel, bei mir antrabte. Also druckste er herum. Heraus musste es ja irgendwann einmal. Ich wusste bereits, was geschehen war.

Mir war dieses Spiel einfach zu blöd. Ich weigerte mich einen anderen Titel zum Besten zu geben. Ich wollte dieses Buch, oder keines. Da konnte ich stur sein. Wie ein Panzer. Wenn die Bundeswehr so etwas nicht verkraftet, dann taugt sie nichts, dachte ich bei mir. Ich kochte vor Wut. Da hätten sie mir ja gleich eine Liebesschnulze kaufen und ohne zu fragen überreichen können. Aber erst fragen und dann verweigern, das ging gar nicht.

Natürlich war mir klar, dass ich keine Anerkennung bekommen würde, wenn ich nicht ein anderes Buch nannte. Aber das war mir egal. Mein Chef wollte mir die Anerkennung unbedingt verleihen. Aber er wollte auch sein Gesicht nicht verlieren. Wie stand er denn da, wenn die öffentliche Anerkennung, die er vorgeschlagen hatte, ausfiel. Daher wirkte er mehrere Tage auf mich ein.

Vergebens. Lieber verzichtete ich auf die Auszeichnung. Wenn man mir nicht zutraute, dass ich ein sozialkritisches Buch wertneutral lesen konnte, dann machte das alles keinen Sinn, dachte ich. Und, so kam es, wie es kommen musste, die Auszeichnung fiel aus.

Leider auch die drei Tage Sonderurlaub, die ich in Gedanken schon verplant hatte. Das schmerzte mich am meisten. 

Als ich hörte, ich kann das Buch bekommen, wenn ich es aus der eigenen Tasche bezahle, habe ich es beim Bataillon geholt und bezahlt. Nicht nur, weil es mich wirklich interessierte. Sondern auch aus Zorn und Trotz.

Witziger Weise befand sich die Widmung des Kommandeur unseres Bataillons doch im Buch. Jedoch ohne Unterschrift.

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Der erste Preis, eine Reise in die Schweiz.

Wir hatten noch nie etwas gewonnen. Aber, es war eine Marotte meiner Frau, an jedem Preisausschreiben teilzunehmen. Und nun, hatten wir sogar den ersten Preis gewonnen. Eine Reise nach Thun am See, in der Schweiz. Mit zwei Übernachtungen, in einem der besten Hotels am Platz.

Immerhin ein Vier-Sterne-Hotel und das in einer der idyllischsten Gegenden der Welt. Aus den einschlägigen Blättern der Boulevardpresse wussten wir, dass die Reichsten dieser Erde dort Urlaub machten. War nicht sogar Greta Garbo dort regelmäßig zu Besuch? Einst eine berühmte Schauspielerin, dann Fürstin von Monaco.

Und nun kreuzten wir dort auf, weil wir etwas gewonnen hatten. Wir, die jeden Pfennig drei Mal umdrehen mussten, bevor wir ihn ausgeben konnten. Damals war es so. Wir waren eine Familie, die noch nichts von der großen Welt gesehen hatte und auch in absehbarer Zeit nichts davon sehen würde. Jedenfalls nicht aus eigenen Mitteln. Jetzt jedoch, standen wir an der Rezeption eines der ersten Häuser am Platz. Hotel Krone war damals, in den Siebziger Jahren, ein nobles Haus. War ein Begriff.

Ehrfürchtig standen wir in dem Eingangsbereich und fühlten uns ein wenig fehl am Platz. Wir tauchten in eine Welt ein, die wir nur aus der Zeitung kannten. Dementsprechend beklommen fühlten wir uns. Wir, das waren die Eheleute Siebler und unsere vierjährige Tochter. Die anderen Kinder, wollten nicht mit kommen.

Nur meine Frau tat so, als sei das alles völlig normal. Daher meinte sie auch, die Rezeption hätte sie sich etwas bombastischer vorgestellt. Auch das Hotel selbst. Nun gut, beeindruckend war es, auf den ersten Blick, wirklich nicht. Dennoch, ich war froh in Thun, in der Schweiz und überhaupt in einem Hotel zu sein. Vollpension. Das musste das Schlaraffenland sein. Daher schaute ich zuerst nicht so kritisch hin. Ich war selig und bereit zu nehmen, was sich mir bot. Ein herrlicher Urlaub. Köstliches Essen. Ein kleines Abenteuer.

Allerdings ließ meine Frau nicht locker. Das Essen sei mittelmäßig schimpfte sie später. Das Frühstück ebenso und überhaupt, was sei das denn für eine Unterbringung. Eine Abstellkammer. Das sei doch kein erster Preis. Eher ein Preis für arme Leute. Wer meine Frau kannte, der ahnt vielleicht, was kommen musste. Sie ließ einfach nicht locker und meinte wir sollten uns beschweren. Also ich (!), sollte mich beschweren. Natürlich, wer sonst?

Ich war eher dafür, es auf sich beruhen zu lassen. Nach dem Motto: „Einem geschenkten Gaul, schaut man nicht ins Maul.“ Natürlich war auch mir klar, dass es sicher Besseres geben könnte, als das Zimmer, welches wir bezogen hatten. Aber es war immerhin besser, als alles, was ich bisher erlebt hatte. Warum sich also die Laune verderben lassen?

Die im Hotel schauten uns schon so seltsam an, denn meine Frau war es nicht gewohnt leise zu sein. Wenn ihr etwas nichts passte, bekam das jedermann mit. Und wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, dann ließ sie sich davon nicht abbringen. Natürlich war mir bald klar, dass ich dem beständigen Beschuss, meiner hartnäckigen Angetrauten, nicht gewachsen war und so rang ich mich doch durch, mich zu beschweren. Wenn ich ganz ehrlich war, so stellte auch ich mir den Aufenthalt, in einem Vier-Sterne-Hotel, anders vor. Beim Sterne verteilen unsererseits, hätte es gerade mal knappe zwei Sterne bekommen. Also ran an die Buletten. Beschweren war angesagt.

Aber wo? Sich beim Hotel zu beschweren, würde wohl wenig bringen. Aber der Preis, den wir gewonnen hatten, war von den Fremdenbüros der Städte Mannheim und Thun ausgelobt worden. Und, wie es der Zufall wollte, war das Fremdenbüro von Thun nicht weit von unserem Hotel entfernt. Also stürmten wir dieses. Wir beide, denn meine Frau ließ mich den Kampf nicht alleine ausfechten. Im Gegenteil, sie ging, bildlich gesprochen, mit der Mistgabel voran. Fest entschlossen, sich nicht abwimmeln zu lassen.

Der Repräsentant der Thuner Urlaubslandschaft, saß zufrieden hinter seinem Schreibtisch, als wir sein Büro betraten. Er schien völlig mit sich im Reinen und sah uns erwartungsvoll an. Lange blieb das nicht so, denn meine Frau konnte eine Furie werden, wenn sie sich ungerecht behandelt fühlte.

„Soll das etwa ein erster Preis sein?“, legte sie auch gleich los und ließ seine zuvor entspannten Gesichtszüge sofort entgleisen. Dabei knallte sie die Preisurkunde resolut auf seinen Schreibtisch und zählte auf, was alles, unserer Meinung nach, nicht stimmte. Pikanterweise prangte seine eigene Unterschrift unter der Urkunde und so konnte er sich nicht herausreden.

Unsere Liste umfasste von tiefer  Enttäuschung, mangelhaftes Management, über unglaubliche Selbstüberschätzung, Respektlosigkeit gegenüber besonderen Urlaubsgästen, Unterbringung im Personaltrakt, bis hin zur tiefsten Mittelmäßigkeit. Alles, was sich in den Stunden so aufgestaut hatte, musste raus. Zum Schluss betonte meine Holde, dass all diese Unannehmlichkeiten selbst eine so herrliche Umgebung, wie der Thuner See, mit dem atemberaubenden Blick auf die Alpen, nicht wett machen könnte. Uns bliebe also nichts Anderes übrig, als die sofortige Abreise und einer Berichterstattung an die örtliche Presse.

Mit jeder Steigerung unserer Vorwürfe, schien sich der Gescholtene immer mehr zu entspannen. Warum, wurde sogleich klar, denn er drehte den Spieß um, gab meiner Frau sogar recht und erkor kurzerhand den Hotelier zum Sündenbock. Frei nach dem Motto: „Heiliger Sankt Florian verschon unser Haus, zünde andere an.“

Auch wenn er mit diesem schon eine lange Freundschaft pflege, betonte er, so verfahre man nicht mit „seinen“ Preisträgern. Entschlossen kam er hinter seinem Schreibtisch hervor, nahm uns bei den Schultern und führte uns die wenigen Schritte zum Hotel zurück. Dabei wirkte er, wie der Racheengel Gabriel in Person.

Es ist immer wieder Beeindruckend, was geschehen kann, wenn man mit den richtigen Leuten spricht und die richtigen Knöpfe drückt. So war es auch damals in Thun. Unser „Fremdenführer“, der Spezel vom Hoteldirektor, sprach kurz mit diesem unter vier Augen, ein paar Anweisungen des Hoteliers folgten und plötzlich waren alle in diesem Hotel wie ausgewechselt. Es war fast so, als wären wir plötzlich in einem völlig anderen Hotel, oder wären hochgestellte, sehr geschätzte Persönlichkeiten, die man hofierte.

Der Herr Direktor begrüßte uns überschwänglich, entschuldigte sich vielmals. In einem kleinen Festsaal, der vor Gemütlichkeit nur so strotzte, wurde schnell festlich gedeckt. Ein Platte mit hauchdünnem Speck wurde aufgefahren, Schweizer Weißwein, der Spitzenklasse und süße Hörnchen für „die Kleine“, wie sich der Chef des Hauses ausdrückte, wurden gereicht. Auf Kosten des Hauses verstand sich.

Es einspann sich daraufhin ein interessantes Gespräch, indem sich der Hotelier immer mehr ins rechte, in ein positives Licht zu rücken versuchte. Was ihm auch gelang. Als wir ihm von unserer Pflegefamilie erzählten, brach plötzlich der Damm.

Er selbst sei in einem Schweizer Waisenhaus groß geworden, nachdem seine Eltern, früh tödlich verunglückt waren, da könne man klar sehen, dass auch aus Heimkindern, oder Pflegekindern etwas Tolles werden könnte. Nachdem wir alle von der dritten Flasche Wein etwas stark beduselt waren, außer meiner lieben Frau natürlich, die keinerlei Alkohol zu sich nahm, verkündete der Hausherr, dass er, unsere Zustimmung vorausgesetzt, unser Gepäck in das exklusive Turmzimmer, das sich über drei Ebenen erstreckte, hat bringen lassen.

Damit begann unser erster Preis, wirklich etwas Besonderes zu werden. Wir zehrten noch ganz lange davon.

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Kommentar von Frau Frederike Ebli zum Roman „Tinas Tagebuch“

Zuerst muss ich zu Frau Ebli etwas sagen:

Frau Ebli war fast 2 Jahrzehnte in Rheinland Pfälzischen Landtag als  Landtagsabgeordnete, Kreistagsmitglied und im Jugendhilfeausschuss des Landkreises Ludwigshafen, eben eine wichtige Frau im SPD-Gefüge.

Sie hat ua geschrieben:

„Soeben habe ich „Tinas Tagebuch“ ausgelesen. Ich bin mehr als angetan. Es hat mir noch einmal sehr deutlich vor Augen geführt, wie wichtig und fruchtbar die Arbeit der Schutzhilfe ist. Der Epilog macht aber auch deutlich, dass es immer weniger Menschen eines Herrn Schlosser/Siebler inclosive seiner Familie gibt. Als langjähriges Mitglied des JHA des Landkreises habe ich die Arbeit der Schutzhilfe und Sie ganz persönlich immer sehr geschätzt. Ich bin jetzt der Auffassung, dass dieses Buch zur Pflichtlektüre aller JHA Mitglieder und Kreistagsmitglieder werden müsste. Ich danke ihnen für dieses großartige Buch.“

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Der Kampf mit dem Schlafsack.

„Spieß! Spieß! He Spieß! Schnell, schnell, Alarm, ich muss dringend, schnell!“, hörte ich, noch in einem wirren Traum gefangen, jemanden rufen. Aber ich wollte, ich konnte mich nicht rühren. Es war so schön warm. So behaglich. 

Dann stöhnte der Fremde: „Mein Gott, komm schon.“ Da wusste ich, es war kein Traum, diese Stimme kannte ich. Es war mein Chef. Plötzlich wurde alles klarer. Wir lagen in einem Zelt, es war saukalt, sicher einiges unter 10 Grad. Minus! Es war tiefster Winter und wir waren im Manöver. Beim Heuberg auf der schwäbischen Alb. Ich war der „Spieß“ einer Ausbildungskompanie der Bundeswehr. Und neben mir lag, tief vermummt, der Kompanieführer, ein Hauptmann, mein Chef.

„Ich komm schon. Komm schon Chef!“, rief ich, immer noch verschlafen, dennoch seltsam gespannt. Was war denn los? Wurden wir überfallen? Kam der Feind?

Mühsam versuchte ich mich aus dem dicken, gefütterten Schlafsack, den ich bis oben hin geschlossen hatte, zu befreien. Zusätzlich, zu den zwei Lagen Unterwäsche, hatte ich mich in einer Decke eingewickelt, um nicht zu erfrieren. Ich war nicht so der stahlharte Typ. Mochte es lieber warm und behaglich. Draußen im Feld, nur abgeschirmt durch hauchdünnes Zeltleinen, bei Minus zehn Grad und mehr, geht das nur, indem man eine Schicht über die andere legt. Wie eine Zwiebel. Schicht um Schicht. Daher dauerte das alles etwas länger. Das ganze Gelump gab warm, machte aber auch extrem unbeweglich.

Durch das diffuse Zwielicht unserer Funzel, sah ich meinen Nachbarn und Kompaniechef zappeln, wie ein Fisch auf dem Trockenen. Dabei stöhnte er zum Erbarmen. Was war denn nur los mit ihm?

„Mach schon Mann, ich muss pissen!“, stöhnte er jetzt jämmerlich. „Ich kann‘s nicht mehr halten!“

Fast hätte ich gelacht, denn es sah wirklich urkomisch aus, wie sich mein Kompaniechef wand und dabei zappelte. Aber das Glucksen verkniff ich mir. Eisern, denn wir kamen an sich ganz gut miteinander klar. Aber er war der Chef und wie alle Chefs extrem empfindlich.

Als Spieß, die Mutter der Kompanie, war ich für alles zuständig, was die kämpfende Truppe am Leben hält. Besser gesagt, ich musste alles beschaffen, was sie brauchten, um kämpfen zu können. Allem voran Essen und Trinken natürlich. Aber auch alles Andere. Mein Chef ließ mir freie Hand dabei und das war viel wert. Das wollte ich mir unter keinen Umständen verscherzen.

„Ich komme, ich komme Herr Hauptmann!“, rief ich daher nochmals und schälte mich, aus den letzten Lagen, meines selbst gemachten Kokons heraus.

Warum machte es der neben mir Zappelnde nicht genauso, fragt sich der*die geneigte Leser*in sicher?

Ganz einfach. Mein Chef, war noch verfrorener als ich und hatte sich von mir in zwei dicke Decken einwickeln lassen. Um den Schlafsack drumherum. Er kam also gar nicht an den Reißverschluss seines Schlafsacks heran. Seine Arme waren dadurch fest an seinem Köper gebunden. Er konnte sich nicht selbst befreien.

Das war unser tägliches, nächtliches Ritual. Ich war schließlich die „Mutter“ der Kompanie. Den Hauptmann zusätzlich in dicke Decken zu wickeln, war eine meiner Aufgaben in diesem Wintermanöver. Natürlich nahm es mein Chef damit etwas zu wörtlich. Das mit der Mutter, meine ich. Aber was sollte ich tun, ich musste ihn bei Laune halten. Ich hatte ja meine Vorteile davon. So war das eben.

Alles hatte bisher gut geklappt, aber gestern hatten wir ein „befohlenes“ Besäufnis, bei dem das Bier in Strömen floß. Das gab selbstverständlich zusätzlichen Druck auf die Blase und nun hatten wir das Malheur.

Ich also raus aus meinem Schlafsack, rüber zum Chef, der sich selbst nicht befreien konnte. Ich hatte ihn zwiebelmäßig, Lage um Lage, mühevoll eingepackt. Genauso mühevoll und zeitaufwändig, musste ich ihn nun entblättern. Zwei Decken um den Schlafsack. Im Schlafsack eine weitere Decke. Dann hatte er das langarmige Unterhemd an, darüber vom Trainingsanzug das Oberteil, zwei lange Unterhosen und noch die Trainingshose.

„Schneller! … Los, ich kann’s nicht halten, Spieß … avanti… avanti…“

Selbstverständlich war ich nur für die Decken und den Reißverschluss des Schlafsacks zuständig. Es kostete mich einige Mühe den hippeligen Offizier auszuwickeln. Dabei kamen wir uns fortlaufend in die Quere. Weil er sich schon mit der Decke im Schlafsack beschäftigte. Als ich ihn endlich befreit hatte, zischte er wie eine Rakete aus dem Zelt. Sich ihm Laufen, von seinen anderen Sachen befreiend.

Nun saß ich da, in unserem rund 16 Quadratmeter großem Zelt. Zwei Öfen, die nur noch klimmten, ein kleiner Tisch, zwei Klappstühle und Seesäcke mit unseren Klamotten. Ein Ofen verbreitete noch etwas Wärme, aber ich zitterte dennoch wie Espenlaub. Ich hoffte, dass er es noch geschafft hatte. Aus mehreren Gründen. Und ich hoffte, dass er nicht einem unserer Wachleute über den Weg lief. Das gäbe wohl ein Gelächter, wenn das im Lager die Runde machte. Ein halbnackter Hauptmann, der in dunkler Nacht, wie ein wildgewordener Pavian, zum Toilettenhäuschen stürmte. Das wäre was.

Total erfroren, zitternd und mit blau angelaufenem Gesicht, kam Herr Hauptmann zurück. Ohne ein Wort zu verlieren, ging das Ganze, in umgekehrter Reihenfolge, wieder zurück.

Kaum zu glauben, ich war noch nicht ganz fertig, da schnarchte er schon wieder. Ich glaube er war die ganze Zeit noch im Halbschlaf gewesen. Genug intus hatte er, das wusste ich.

Nur ich, ich war jetzt hellwach.

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Schauen und gewinnen

Noch immer wartet das T-Shirt auf den ersten Kommentar zu den Kurzgeschichten.

Heute steht ja wieder eine neue Geschichte im Blog und die Chance das Shirt zu bekommen. Schau rein und kommentiere und schon kommt das exklusive Kleidungsstück. Euer Manfred

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Wenn die Enkelin…

… einem Löcher in den Bauch fragt, nichts für unmöglich hält. 🙂

Eine Kurzgeschichte in Dialogform.

„Nichts ist unmöglich, gell Opa.“, fragte die Enkelin. „Opa, du hast doch das Haus gebaut, oder?“

„Ja, nicht nur ich, ohne die Oma wäre es nichts geworden.“, antwortete der ältere Herr amüsiert. Liebevoll blickte er seine Enkelin an. Wie altklug sie wirkte, wenn sie angestrengt nachdachte.

„Was hat denn die Oma gemacht?“, hakte die Kleine nach. Sie wollte es immer ganz genau wissen. Ließ nie locker, wenn sie etwas beschäftigte. Das schätzte der rüstige Rentner so an dem jüngsten Sproß seiner umfangreichen Familie. Genau das. Daher ließ er sich nicht zweimal bitten. Sich genüsslich nach hinten schiebend, schaltete in den Erzählmodus. Er liebte diese Gespräche zwischen Opa und Enkelin. Diese junge Dame war wirklich an seinen Geschichten interessiert. Das kam ja heutzutage nicht mehr so oft vor.

Deine Oma und der Opa die wohnte in einer schönen vier Zimmer-Wohnung in der Siedlung hier.

Zu unseren drei eigenen Kindern hatten wir noch zwei Pflegekinder vom Jugendamt. Das war ganz schön eng, kann ich dir sagen.

Warum habt ihr denn dann keine größere Wohnung gesucht, wenn es so eng war?

Du hast recht Spatz, auf die Idee sind wir auch gekommen. Vor allem wollten wir noch ein bestimmtes Kind bei uns aufnehmen, doch da machte das Jugendamt nicht mit.

Oder Opa?

Oma und ich suchten dann nach einem Haus, dass wir mieten können.

Habt ihr eines gefunden?

Nein leider. Es gab nur Häuser mit ganz großen Zimmern, halbe Säle weißt du.

Dann hättet ihr doch viele Kinder in ein Saal stecken können, das wäre sicherlich ganz lustig gewesen.

Vielleicht lustig, aber nicht sinnvoll und das Jugendamt hätte auch kein Spaß damit gehabt.

Und dann habt ihr ein Haus gebaut?

So schnell baut man doch kein Haus Spatzl. Opa war doch Student und hatte kein Geld auf dem Konto.

Aber dann habt ihr doch das Haus gebaut wo wir hier wohnen.

Wie habt ihr das denn angestellt?

Mädchen, wir haben uns überlegt wie kommen wir zu mehr Zimmer.

Opa hatte schon einmal gehört, wenn man mehrere Kinder hat uns wenig Einkommen, also nicht so viel verdient, dann gibt einem die Stadt ein Grundstück auf Erbpacht.

Sag was ist das? Erbpacht?

Ariane, da sagt die Stadt wir haben hier ein Grundstück, da steht kein Haus drauf und ihr könnt für 99 Jahre ein Haus drauf bauen.

Prima Opa so habt ihr das gemacht und schon hattet ihr ein Haus für die Kinder.

Na, so schnell gings dann auch nicht Mäuschen.

Oma und ich stellten einen Antrag auf ein Grundstück mit Erbpacht.

Dann hattet ihr ein Grundstück?

Nein, Mädchen eine Ablehnung schickte die Stadt, ich hätte keine Arbeitsstelle und einem Studenten kann man kein Grundstück auf Erbpacht geben, der kann das doch nicht bezahlen.

Opa, du hast doch gesagt das muss man nicht bezahlen.

Ja Kleines, aber die Stadt schenkt dir doch nichts.

Wie geht denn das? Nicht kaufen und trotzdem bezahlen? Das verstehe ich nicht.

Liebe Enkeltochter das geht so, das Grundstück hat einen Wert von vielleicht einhunderttausend Mark. Die Zinsen dafür sind dann, nehmen wir an acht Prozent, das wären achttausend Mark im Jahr, im Monat dann über 600 Mark. Das kann natürlich niemand bezahlen, der viele Kinder hat und einen kleinen Verdienst.

Dann geht das doch nicht oder?

Das hast du richtig erkannt, du bist schon eine ganz fixe Ariane. Da gibt es dann irgendein Schlüssel wo das Sechshundert Mark kleiner macht. Sagen wir alles was bei so einer Rechnung heraus kommt durch drei Teilen und dann sind es nur noch so zwei Hundert im Monat. Aber wie das genau berechnet wird weiß ich auch nicht. Ich weiß nur, dass es im Prinzip so gerechnet wird und das beschließt der Gemeinderat so.

Was sind das denn für Leute im Gemeinderat Opa?

Das sind alles Personen, die in der Stadt wohnen und die wir alle acht Jahre wählen.

Opa, hast du die auch gewählt?

Mädchen du machst mich ganz verrückt, nein ich habe sie damals nicht gewählt, weil ich erst so zwei oder drei Jahre mit der Familie hier gewohnt habe und die Wahl schon ein paar Jahre zuvor gewesen ist.

Aber darum geht es doch hier bei der Geschichte gar nicht.

Dann mach doch weiter, jetzt haben sie euch das mit der Erbpacht nicht gegeben oder?

Ja, richtig sie haben es abgelehnt, und auch die Chefs von dem, der es uns nicht geben wollte.

Aber jetzt verstehe ich nichts mehr ihr habt doch gebaut. War das viel später Opa?

Dann hat uns die Stadt einen Termin beim Baubürgermeister, das ist der oberste Chef der da was zu sagen hat, gegeben.

Oma und ich waren vielleicht aufgeregt. Jetzt war alles verloren, wenn uns sogar der Ober Chef es persönlich sagt, dass nichts mehr zu machen ist.

Oma hat gesagt ich sag dem schon bescheid, wir haben zwei Kinder von der Stadtverwaltung in Pflege und können noch eines von denen bekommen, wenn wir mehr Platz haben. Sind denn Kinder gar nichts wert bei denen?

Sie hat gesagt dem sage ich aber Bescheid, der soll sich vielleicht wundern.

Hat er sich gewundert, der Bürgermeister?

Der hat sich so gewundert wie ich, denn ich habe geglaubt den interessiert gar nicht was die Oma ihm sagt von wegen Kinder vom Jugendamt, dann kommen die eben in andere Familien. Warum sollen die unbedingt zu uns kommen?

Hat er der Oma dann recht gegeben Opa?

Nein, der hat gesagt alles sei so, dass es nicht geben könnte, keine Arbeit, Student und noch drei eigene Kinder wie soll das den gehen. Unverantwortlich wäre es, wenn er uns ein Grundstück geben würde.

Wie ich mir das denn vorstellen würde.

Da sagte ich ihm, dass wir ja mehrere tausend  DM von der Bundeswehr als Abfindung hätten und fast sechzig Prozent des letzten Gehalts als Hauptfeldwebel, das Kindergeld und das Pflegegeld ( auch wenn das nicht berauschend viel ist was sich das Jugendamt kosten lässt). Zum Überleben reiche das allemal.

Opa, ihr habt doch dann doch ein Haus gebaut oder? Wir wohnen doch jetzt drin.

Der Bürgermeister sagte dann jetzt sei alles gesagt. Es geht eben nicht. Ich war total geknickt, Ariane.

Dann seid ihr wieder gegangen?

Nein Oma sagte dann, dass wir jetzt direkt zum Mannheimer Morgen gehen und denen sagen, dass die Stadt nichts für Kinder übrig hat. Da hat der aber ein Zorn bekommen, das sei Erpressung und auf sowas würde er sich nicht einlassen. Wir seien unglaublich frech und unverschämt.

Die Oma hat dann gesagt wir wollen den Kindern bloß ein Dach über dem Kopf geben. Den hätten sie jetzt auch, meinte der.

Dann seid ihr aber gegangen oder Opa?

Ja, aber erst hat Oma nochmals gesagt er würde schon sehen was die Zeitung schreibt.

Stell dir vor Ariane da hat der doch tatsächlich gesagt wir sollen uns nochmals setzten und dann hat er gefragt wo wir denn das Grundstück gerne hätten und lauter solche Sachen.

Zuletzt sagte er mal sehen ob er uns helfen kann.

Dann sind wir gegangen.

Aber ohne einen Platz für ein Haus?

Ja, erstmals. Aber es dauerte keine zwei Wochen und es kam ein Schreiben von der Stadt wo wir uns drei Grundstücke in unserer Siedlung ansehen sollten ob eines davon für uns das richtige sei.

Opa, die Oma war ja ein richtiger Held oder?

Ja, das kann man sagen und das kam später allen Kindern zu Gute.

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Erinnerungen im Mosaik

Weitere Erinnerungen an meine Kindheit in Bayern

Wohnen in Manching

Alle waren ausgebombt. So nannte man das, wenn einem die Wohnung, oder das ganze Haus bei einem Luftangriff zerstört worden war. Es gab keine Möglichkeit mehr in Pforzheim zu wohnen. Die Stadt gab es nicht mehr. Also mussten wir auf’s Land. Wie schon so viele vor uns.

Auch wir wurden evakuiert. Wenn ganze Familien aus den bedrohten Städten fliehen mussten, um sich bei Verwandten, Bekannten oder staatlichen Stellen einen anderen Wohnraum zu suchen, wurde man evakuiert. Uns verschlug es nach Bayern. Meine Tante und ihre Kinder lebten bereits dort, nachdem Mühlacker bombardiert worden war. Vielleicht war das der Grund gewesen, warum meine Mutter mit mir, nach Manching ging.

Meine Mutter und ich fanden Unterschlupf in einer kleinen Mansarde. In unmittelbarer Nähe der Tante. Ein Zimmer. Eigentlich war es ein grob ausgebauter Speicher. Kein Badezimmer, keine Dusche. Es gab ein kleines Waschbecken im Raum. Die Toilette war auf dem Gang und wir nutzen sie mit anderen Hausbewohnern. Es war nicht unbedingt ein Luxusappartement. Kein romantisches Loft. Aber wir waren froh, ein Dach über dem Kopf zu haben.

Da saß ich nun, keine 5 Jahre alt und spielte mit groben Holzscheiten auf dem Fußboden unserer kärglichen Behausung. Es war unser Feuerholz, für mich waren es meine Autos. Eher LKW‘s, so groß, wie die Klötze noch waren. Es gab ja weder Kindergarten, noch Spielzeug und kein richtiges Einkommen. Die Mutter arbeitete bei Bauern in der Nähe, wenn sie die Gelegenheit dazu hatte. Aber das waren nur Pfennige, die es da zu ergattern gab. Aber sie bekam immer etwas Essen mit, oder Obst und Gemüse. Das war damals mehr wert als Geld.

In dem Ort gab es auch ein Lager, oder Gefängnis. Mit einem Wassergraben umgeben. Die Nazis hielten dort Piloten gefangen, die ihren Abschuss überlebt hatten. Später, haben es die Amerikaner als Gefängnis, für politische Gefangene, genutzt. Ein Militärflughafen gab es auch. Allerdings einen recht kleinen.

Die Amis kommen…

Diese Neuigkeit waberte durch die kleine Stadt, wie der Duft eines guten Essens. Aber sie waren auch deutlich zu hören, denn die Ketten ihrer Panzer und die Motoren ihrer LKW’s waren ohrenbetäubend. Beängstigend und faszinierend zugleich. Für mich, als fünfjähriger Stepke, wirkte alles noch viel gigantischer. Riesige, stählernen Berge, die auf uns zurollten. 

Alles, was Beine hatte, rannte hin um den Einzug der Befreier nicht zu versäumen. Wir auch. Die Straßen waren gesäumt mit Menschen. Die meisten jubelten. Sie hatten ja auch Grund dazu. Endlich war der Krieg, die Zerstörung und das Töten vorbei. Aber es gab sicher auch Zaghaftere, ängstlich, sorgenvoll Wirkende, denn wir wussten noch nicht genau, was auf uns zukommen würde. Es dürften auch einige darunter gewesen sein, welche in den Amerikanern nicht die willkommenen Befreier sahen. Wer weiß.

Diese Feinheiten bekam ich als Fünfjähriger nicht mit. Woher auch. Ich freute mich. Da war was los. Etwas, was ich nicht alle Tage sah. Die schiere Gewalt der eisernen Ungetüme begeisterten mich. Ich stand ganz vorne. Und – den rechten Arm zum „deutschen Gruß“ erhoben. Das machte man doch so, oder? 

Für mich war das völlig normal. Ich kannte es ja, als kleines Kind, nicht anders. Bei Militärparaden hob man den rechten Arm. Also stand ich da und grüßte die amerikanischen Truppen, mit dem Hitlergruß. Niemand fiel das zunächst auf. Aber einem GI, auf einem der Panzer, schon. Erst als er seine Maschinengewehr zu mir herumschwenkte, fiel meiner Mutter auf, was ich da gerade tat. Sie erlitt fast einen Herzinfarkt. Entschlossen drückte sie meinen Arm herunter und schob mich hinter sich. Zum Glück, schob ein anderer GI den Lauf des gefährlichen MG‘s von uns weg. Meine Mutter zog mich schleunigst vom Straßenrand weg und wir verschwanden in der Menge. Ich selbst, bekam von der Dramatik der Situation gar nichts mit.

Der Schein trügt…

Ich konnte die Aufpasserin nicht leiden. Sie mich auch nicht, das spürte ich. Es war eine alte Frau, die auch in unserem Haus wohnte. Eine Verwandte des Bauern, bei dem meine Mutter arbeitete, um etwas Geld herein zu holen. Wenn es ging riss ich aus. Vielleicht mochte sie mich deshalb nicht. Ich machte halt immer Ärger. Schon damals.

Auf meinen Streifzügen war ich gerne im Stall. Die Tiere zogen mich magisch an. Ein Vorteil, wenn man auf dem Land lebte. Ich fühlte mich dort wohl. Der Geruch. Nach Heu und Mist gleichermaßen. Und den Tieren natürlich. Selbst, wenn die Sonne schien, herrschte dort ein schummriges Halbdunkel, in dem ich mich geborgen fühlte. Versteckt. Wie die Katze, die ich häufig dort antraf und streichelte. 

Immer lief ich barfuß umher. Wie alle Kinder im Dorf. Schuhe waren rar und teuer. Die schonte man. Zog sie nur zu besonderen Anlässen an. Meist am Sonntag. Barfuß laufen machte Spaß, vor allem in Aschehaufen springen, war eine besondere Gaudi. Die lagen auf der Straße. Von den Lastern, die mit Holz betrieben wurden. Benzin gab es zu der Zeit kaum. Auf der Ladefläche der LKW‘s gab es eine Vorrichtung und der Motor wurde mit einem Holzvergaser zum Laufen gebracht. Not macht erfinderisch.

Diese holzbetriebenen LKW’s ließen von Zeit zu Zeit ihre verbrannte Fracht ab. Die feine, staubige Asche fühlte sich toll an, wenn man in sie hineinsprang. Es staubte und die Asche klebte an Füßen und den Beinen. Jedenfalls waren alle Kinder begeistert, wenn sie wieder so einen Aschekegel auf der Straße entdeckten und stürzen sich regelrecht darauf.

Auch ich war völlig aus dem Häuschen, als ich eines dieser grauen Häufchen entdeckte. Ohne nachzudenken stürmte ich darauf los und sprang mit beiden Füßen hinein. Aber anstatt eines Wohlgefühles, spürte ich einen heftigen, stechenden und dann brennenden Schmerz. Mein jämmerlicher Schrei ließ alle Menschen erstarren und jedem war sofort klar, da musste etwas Schreckliches geschehen sein. Dieser Aschehaufen glühte noch. Innen drin, unsichtbar. Für meine begeisterten Augen sowieso. Er war wohl gerade erst abgelassen worden. Ich hatte mir beide Füße heftig verbrannt. 

Was nun? Ein Krankenhaus gab es nicht. Rettungswagen? Fehlanzeige und ein Hautarzt war ebensowenig zur Hand. Wie ich es nach Hause geschafft hatte, weiß ich heute nicht mehr. Nur, dass ich meine Mutter damit fast um den Verstand verbracht hatte. Meine Füße müssen schrecklich ausgesehen haben. 

Die alte Frau, die ich nicht leiden konnte, wusste Rat. Ein altes Hausmittelchen gegen Verbrennungen. Sie legte mir die feine, hauchdünne Haut von Zwiebeln auf. Das zarte Häutchen, das zwischen der Schale und der Knolle sitzt. Sie selbst steuerte dazu unzählige Zwiebeln bei. Wie sie wirkten und ob die Schmerzen nachließen, weiß ich natürlich nicht mehr. Nur, dass ich die Frau danach etwas mehr mochte. Ob das auf Gegenseitigkeit beruhte? Eher nicht, denn ich war ja immer noch der Wildfang. 

Endlose, langweilige Tage waren meine Strafe, denn es dauerte sehr, sehr lange, bis ich wieder meine Füße benutzen konnte. So musste sich Einzelhaft anfühlen. Nicht ganz, denn meine Mutter verwöhnte mich mit Schokolade und Kaugummi. Auch nicht schlecht, oder ? 

Ein Land im Tauschrausch…

Woher meine Mutter Schokolade und Kaugummis hatte? Von den Amis natürlich. Im Tausch für etwas Anderes. Jeder tauschte, hamsterte und bettelte nach dem Krieg. Anders konnte man damals kaum an Essbares kommen. An Luxus wie Schokolade, Kaugummis, oder auch Zigaretten, schon gar nicht. Da gab es oft ganze Ketten von Tauschgeschäften, um an das zu kommen, was man begehrte. Denn meistens fanden sich nicht gleich die richtigen Tauschpartner. Also musste man über Bande spielen, wie beim Billard. Da zahlte sich wohl aus, dass meine Mutter auf einem Bauernhof arbeitete, denn damit hatte sie immer etwas zum eintauschen. Das ganze Land war im Tauschrausch. Nicht weil plötzlich alle Händler geworden waren, sondern weil man sonst nicht das bekam, wonach das Herz begehrte, oder um die Not zu lindern. 

So kam ich an Schokolade und Kaugummis. Also hatte mein Sprung, in die glühende Asche, doch noch was Gutes. Aber ohne die Schmerzen, hätte es mir sicher noch besser geschmeckt.

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Ex-Regierungspräsident von Rheinhessen-Pfalz Dr. Paul Schädler

  • Weihnachten 2020, habe ich dem damaligen Landrat, der das Pilotprojekt Schutzhilfe in den Landkreis Ludwigshafen holte und auch immer fördernd positiv unterstützte, mein Buch: „Tinas Tagebuch von Manfred Siebler“, mit Widmung zum Geschenk gemacht.

Schließlich war er es, ohne dem sein vorausschauenden Einsatz damals das Experiment SCHUTZHILFE (statt Heimunterbringung für ausgewählte Jugendhilfejugendliche eine Betreuung in einer eigenen Wohnmöglichkeit und das schon ab dem 15. Lebensjahr), nicht möglich gewesen wäre.

Ich hätte somit die wahnsinnig aufregend tolle alternative Betreuungszeit ein viertel Jahrhundert nicht erleben dürfen.

Das neue Jahr begann und ich bekam abends einen Anruf von dem schon erwähnten Dr. Schädler.

Mein Erstaunen war groß und wurde noch getoppt von dem was er mir sinngemäß mitteilte.

„Ich bedanke mich für das Geschenk und den so spannenden Roman über die Zeit der langjährigen Betreuung eines jungen Menschen in der Jugendhilfe im Kreis.

Ich finde ihn spannend geschrieben und freue mich, dass ihnen so ein gutes Werk gelungen ist.

Ich konnte mir gut vorstellen welche Probleme bei der jungen Dame und auch beim Betreuer zu bewältigen waren.

Wenn es die Corona-zeit wieder zulässt müssen wir uns einmal unbedingt zum Kaffee trinken treffen.“

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Kindheit im Exil

Ein Erlebnis aus meiner Kindheit in Bayern.

„Ratatatata… Ratatata… Ratatata“

„Achtung! Flieger von rechts!“

„Ratatatata… Achtung links!“

„Hurrraaa! Abschuss!“, tönte es lauthals aus den Kehlen der Kinder.

„Los! Da sind noch welche. Zeigen wir’s ihnen!“

Die wilde Meute spielte schon seit den frühen Morgenstunden mit den übrig gebliebenen 8,8 Zentimeter Geschützen der deutschen Wehrmacht, die immer noch in der Nähe des Flugplatzes von Manchingen standen. Bald sollte es von den Amerikanern genutzt werden.

Das gewaltige Rohr des Flugabwehrgeschützes, kurz Flak gennant, ließ sich mühelos in alle Richtungen drehen. 360 Grad. Auch hoch und runter, denn diese Flak war dazu da, um angreifende Bomber abzuschießen. Selbst die Gruppe der mageren Kinder, aller Altersklassen, hatten keine Mühe damit. Die Geschütze wurden nämlich elektrisch betrieben. Warum sie noch angeschlossen waren und niemand sie bewachte, war den Kindern in ihren abgerissenen Kleidern egal. Sie fühlten sich, wie in einem Freizeitpark. Es war ihr Spielplatz. Ein gefährlicher.

Die Kleineren mussten den Größeren was geben, um auf den Sitz des mächtigen Geschützes klettern zu dürfen. Das war heiß begehrt, denn man konnte nicht nur Soldat spielen, sondern fühlte sich wie auf einem Karrusel. Man konnte sich damit rundum drehen, bis einem schwindelig wurde.

Für die Kinder war es ein Abenteuer. Nicht nur, weil es ihre Erinnerungen der letzten Jahre widerspiegelte. Alle hatten die letzten Jahre nur Tod, Verwüstung und Elend erlebt. Viele waren Kinder aus ausgebombten Familien, die aufs Land verfrachtet worden waren. Wie ich. Nach Manchingen im Bayerischen. Sie hatten oft nicht mehr, als das, was sie auf dem Leibe trugen. Selbstverständlich auch kein Spielzeug. Da kam so eine mächtige Flak wie gerufen. Ein tolles, aufregendes Erlebnis, das die Jüngsten ihr Elend, vielleicht auch ihr Kriegstraumata, vergessen ließ. Zumindest zeitweise.

Aber auch ein gefährliches. Denn wer nicht mit dem Geschütz beschäftigt war, wurde losgeschickt um Munition zu sammeln. Die lagen überall herum. Vorzugsweise Granaten, die noch Pulver enthielten. Die waren begehrt, weil man mit dem Pulver etwas in die Luft jagen konnte. Die Kleinen, brachten die oft noch unversehrten Geschosse, den Größeren und durften dann aufs Geschütz. Zur Belohnung. Die Großen zogen mit einer Zange die Hülsen auseinander, um an das Pulver zu gelangen. Dass dabei nichts passiert war, kann man echt ein Wunder nennen.

Ein weiteres, noch gefährlicheres Spiel war es, den Zünder vom Geschoss zu trennen. Die Jungs trennten mit einer Zange das Geschoss vorne, von der Hülse und schütteten das Pulver dann in einen Behälter. Wenn sie genug beisammen hatten, legten sie eine ewig lange Zündstrecke. An einem Ende angezündet, ergab sie eine riesige Stichflamme, die sich wie ein Wurm am Pulver entlang wand. Alle gingen dabei in Deckung.


Wie in einem Schützengraben, warfen sich die Kinder zu Boden. Fühlten sich unverwüstlich. Andere der Waghalsigen brachten es fertig, die noch intakten Zünder mit einem Nagel und einem Hammer zur Explosion zu bringen und an das offene Pulver zu halten. Not macht erfinderisch. Das weiß man ja. Wie sie zuvor die Geschosse aufbekommen hatten, den Zünder ausschraubten, um das Geschoss herauszuhebeln, weiß ich nicht. Das war sicher saugefährlich. Aber als Kind hat man ja einen besonderen Schutzengel. Jedenfalls waren alle begeistert, wenn der Zünder explodierte und das Pulver sich entzündete.

Mitmachen durfte ich nicht. Ich habe alles nur aus der Distanz beobachten können. Denn ich war der Fremde. Der Zugezogene, der als einzigster kein Bayrisch sprach. Weggejagt hatten sie mich, wenn mich die Neugier zu nahe brachte. Ausgegrenzt. So, war es eben schon immer.

Amerikanische Soldaten haben uns dann verjagt. Doch alles abgebaut und mit riesigen LKW’s weg transportiert. Der Riesenspass war zu Ende.