Nachtwache in der Wahner Heide. Mal wieder wie so oft. Ich war der Wachhabende Soldat und mit mir achtzehn weitere Soldaten, die ich einzuteilen hatte und alles überwachen im Auge behalten. Mitten in der Heide, umgeben mit Brombeerhecken und undurchdringbarem Gebüsch standen Nikeflugabwehrraketen. Vier große dickbauchige Raketen, angetrieben durch vier Brennstoffkörper, die im Spannungsfall mit Atomsprengkörper bestückt werden konnten und 8 schlanke Raketen mit konventioneller Bestückung. Wir stellten einen Teil der Luftverteidigung dar, die den Flughafen Köln-Bonn im Ernstfall schützen sollten.
Um die Raketenabschusstellung waren S-Drahtrollen übereinander aufgebaut und zwei bis drei Meter davon entfernt lagen die gleiche Absicherung. Nachts wurde der Stacheldraht durch Leuchtstofflampen erhellt. Zwischen den beiden Rollengebilde liefen regelmäßig Tag und Nacht Wachpasten vom Wachgebäude, um das so abgesicherte Gelände. Entweder meldeten sie sich an in gewissen Abständen an installierten Telefonhäuschen oder dem Wachlokal beim wachhabenden Kameraden.
Als Wachhabender war ich zuständig für die Sicherheit der Anlage. Meist saß ich im Wachgebäude mit Blick auf das Eingangstor das nur nachts geschlossen war, tagsüber sperrte ein Schlagbaum den Eingang.
Während tagsüber ständig etwas los war, Fahrzeuge fuhren rein oder raus, es gab immer wieder etwas zu kontrollieren, war in der Nacht absolute tote Hose, wie man so landläufig etwas beschrieb was mit Ruhe und Bewegungslosigkeit zusammenhing.
Die Nacht damals war drückend heiß, die Heide hatte die Tageshitze gespeichert und gab sie in der Nacht mit Abstand wieder ab. Im Wachgebäude staute sich die Hitze, alle Fenster und Türen war weit geöffnet. Wie erfreut war ich wenn ein kleines Luftzügchen durchs Wachlokal wehte.
Eine Tischlampe spendete Licht über dem Schreibtisch, sonst war kein Licht im Wachlokal. Der Blick vom Sitzplatz hinter dem Schreibtisch nach draußen zeigte das hell erleuchtete Tor, wo sich nachts nur dann etwas bewegte wenn der wachhabende Offizier mit dem Jeep zur Kontrolle kam und das Tor dafür geöffnet werden musste.
Ein Schmöker von Jerry Cotton lag auf dem Schreibtisch, ich habe ein bisschen darin gelesen, damit ich wach blieb.
Plötzlich peitschten Schüsse durch die Nacht, ich erstarrte erst, um dann Alarm zu brüllen, die schlafende Mannschaft aus den Betten zu jagen, die, da sie in ihren Uniform schliefen sich im Eiltempo im Wachraum sammelten.
Den stellvertretenden Wachhabenden teilte ich für das Tor ein, vier Kameraden schickte ich auf dem Weg rechts um das bewachte Areal und mit vier lief ich links den Weg entlang in dem die Schüsse abgegeben wurden. Der Rest der Wachmannschaft sollte sich mit ihrem Gewehr bereit halten in der Wache.
Die Gewehre im Anschlag, ich mit meiner Pistole, eilen wir mit noch gesicherten Waffen zwischen den Stacheldrahtrollen zu dem Punkt wo wahrscheinlich etwas geschehen war.
Wenige hundert Meter und wir sahen den Wachposten auf dem Platz stehend mit dem Gewehr im Anschlag. Als wir näher kamen sahen wir den Kameraden leichenblass und am ganzen Körper zitternd mit seiner Waffe vor sich hinstarrend.
Meine vier Leute sicherten uns nach beiden Seiten. Nach mehreren Fragen berichtete der auf Streife um sich geschossene Wachsoldat was sich hier abgespielt hatte und warum er geschossen hat.
In der Wahner Heide lebten eine größere Anzahl von Wildschweinen für die unsere Stacheldrahtrollen kein Hindernis darstellten, sie flitzten einfach dazwischen durch. Man sah immer wieder einen Büschel Borsten, die an den unteren Rollen festklebten.
Der Posten berichtete, dass er plötzlich verschiedene Geräusche hinter sich hört und beim Umdrehen sah, dass ein, so sagte er wenigsten, riesiger Keiler auf ihn zuraste und er Angst um sein Leben hatte. Das Gewehr von der Schulter, angelegt, entsichert und auf das heranstürmende Ungeheuer schoss. Da das Gewehr auf Dauerfeuer eingestellt war kam es dazu dass mehrere Geschosse den Lauf verliesen.
Das Tier, sicherlich erschrocken, hat sich blitzartig zwischen dem Stacheldraht davon gemacht, ob getroffen oder nicht konnten wir nicht feststellen.
Die Wachmannschaft konnte kaum einschlafen nach dem Alarm. Ein Protokoll wurde angefertigt, fünf Schüsse fehlten, der Sachverhalt war einfach und schnell zu Protokoll gebracht, auch der gerufene Wachoffizier zeichnete alles problemlos ab. Die Hülsen konnten am Tag gefunden werden, was der Wachoffizier beim Protokoll auch anmerkte.
Die Aufregung hat mich von weiterer Schläfrigkeit abgehalten und ich vertiefte mich wieder in meinen Schmöker.
Doch war ich irgendwie jetzt sensibilisiert und achtete mehr als sonst auf allen was um mich geschah. Dabei hörte ich, erst ganz leise und dann dich immer lauter und näher kommend wie jemand atmete. Ein und aus, ein und aus, wer konnte das sein? fragte ich mich, ich hatte niemand durch die offene Tür kommend gehört. Was der wohl will, wenn er sich bei mir so anschlich. Ich war jetzt total nervös, meine Gedanken überschlugen sich, was war zu tun? Langsam tastete meine rechte Hand zu Pistolenhalfter, nur keine schnelle Bewegung, der Angreifer durfte es nicht mitbekommen, zitternd öffnete ich das Halfter und überlegte jetzt schnell, ein Griff, die Pistole herausreißen sich umdrehen und dabei die Waffe auf den Angreifer richten, entsichern und „Halt ich schieße“ rufen. Gedacht, getan, beim Aufspritzen stieß ich meinen Sitz um, der mit großem Krach zu Boden stürzte und ich war verwundert ich sah gar niemand, der da jetzt stehen sollte. Dann den Blick gesenkt und ich erstarrte in der Bewegung, das glaube ich jetzt nicht was ich jetzt sah.
Es war ein großer Hammel, der sich leiiese ins Wachlokal geschlichen hatte und eine Zeitlang hinter mir stand und so atmete, wie ich dachte, atmet ein Mensch.
Ein erlösende Lachen, und der im gleichen Moment das Lokal betretenden Streifenposten, konnte nicht verhindern, dass ich einen Schweißausbruch bemerkte, der es in sich hatte.
So konnten ansonsten langweilige Wachnächte angereichert werden und immer wieder für eine Überraschung gut sein.