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Einmal im Leben, Teil 2

Die Fertighausfirma Weber hatte einen eigenen Architekten, der uns unterstützte, so dass es uns erspart blieb selbst einen zu suchen. Natürlich mit einem entsprechendem Pauschbetrag. Dieser wollte also unsere Pläne beim städtischen Bauamt einreichen. Alles easy. Damit hätte ich also nichts zu tun.

Aber der Student Manfred hatte es eilig, denn das Haus sollte ja in sechs Monaten bezugsfertig sein. Also brachte ich die Pläne persönlich zum Bauamt, um sicher zu sein, dass sie dort gut und richtig ankamen. Nach längerer Suche fand ich tatsächlich das Büro das für unseren Sprengel zuständig war und es saßen dort auch zwei städtische Beamte. Diesen Bauingenieuren wollte ich in Ruhe erklären, warum ich das Paket an Plänen persönlich vorbeibrachte, es dringlich sei, da wir in ca. 6 Monaten in dieses Haus einziehen müssten. Naiv wies ich darauf hin, dass es ja auch um zwei Pflegekinder der Stadt Mannheim ginge, die dadurch nicht ins Heim mussten. Naiv, weil ich wirklich dachte, die zwei Herren vom städtischen Bauamt Mannheim könnten daran interessiert sein, dem Jugendamt der Stadt Mannheim zu helfen. Von Amt zu Amt sozusagen.

Die beiden Herren schauten mich jedoch an, als käme ich von einem anderen Stern. Zuerst herrschte Funkstille, dann ging es los. Der eine Sachbearbeiter wollte mich gleich wieder aus dem Büro werfen, was ich mir denn einbilden würde. Ich möge doch, wie alle anderen Antragsteller, mein Baugesuch über die Poststelle einreichen, teilte er mir in rüdem Tone mit.

Der andere Kollege war konzilianter und vermittelte dann zwischen dem „Griffelspitzer“ und mir, so dass wir in einem halbwegs stressfreien Gespräch zum Schluss kamen, dass der sozialere Beamte mich zur Poststelle begleitete, um den Antrag dort abzugeben. Ich war schon fix und fertig aber halbwegs glücklich, dass das Baugesuch in der Poststelle eingetragen wurde und der mich begleitende Sachbearbeiter die Pläne danach gleich mit in das zuständige Fach bei sich legte, begleitet von einem bitterbösen Blick seines Kollegen. Jetzt konnte ich mich zurücklehnen und in Ruhe weiter studieren.

Zwei Tage später Anruf vom Bauamt, die Statik der Fertighaus Firma würde nicht akzeptiert, diese müsste unabhängig vom Haushersteller verfasst sein. Was immer das bedeuten sollte. Ich verstand nur, es gab schon wieder Probleme.

Also rief ich bei Weber in Linx an, diese meinten von anderen Städten sei ihre Statik aber immer genehmigt worden. Anruf meinerseits beim Bauamt mit dieser Auskunft. Sie seien aber nicht die anderen Städte, sondern die Stadt Mannheim und die bestehe auf einer separat erstellten Statik.

Es half nichts, denn die Macht lag in den Händen des Bauamtes. Ohne deren Genehmigung, kein Bau. Es half also nichts, ich nahm das Telefonbuch zur Hand, um Statik Büros suchen. Damals gab es noch kein Web. Es gab auch einige, aber kurzfristig sei da nichts zu machen. Sie hätten ja nicht auf mich gewartet, sondern volle Auftragsbücher, hörte ich allenthalben. Drei bis vier Wochen, vorher gäbe es keine Kapazitäten für mein Anliegen. Alles schmeicheln, drohen und betteln war umsonst.

Aber ich gab nicht auf. Wieder ab zum Bauamt. Zum Glück, war der abweisende Sachbearbeiter nicht auf seinem Platz. Der mir geneigte Beamte, ließ sich erweichen und verriet mir, es gäbe einen Hochschuldozenten bei der Technischen Hochschule Darmstadt, der dürfe solche Statiken auch prüfen. Diese würden von Mannheim akzeptiert. Wieder hörte ich einen Stein von meinem Herzen plumpsen. Ein Weg aus meinem Dilemma, auch wenn Darmstadt ja nicht gerade um die Ecke war.

Am nächsten Tag war ich in Darmstadt und suchte in der Hochschule besagten Herrn Professor. Der hätte gerade Vorlesung erfuhr ich, also wartete ich geduldig auf deren Ende. Die ganze Zeit bebte ich vor Aufregung. Ob ich den Mann mit meiner Geschichte und Not erweichen könnte? Denn ohne eine schnelle Überprüfung der Statik des Hauses, war mein ganzer Zeitplan in Gefahr.

Der Herr Professor erbarmte sich meiner. Ob es an meinem sozialen Engagement, an dem geplanten Pflegenest lag, oder weil ihn der Plan dieses Fertighauses interessierte, wusste ich nicht. War mir auch einerlei, Hauptsache er prüfte und das sogar am Wochenende.

Montags in Darmstadt, wie verabredet, die fertige Statik geholt, per Scheck bezahlt und in der Nachmittagssprechstunde beim Bauamt damit eingelaufen. Nein, dieses mal war mein Gönner nicht da und der Nörgler vom Dienst wollte es erst nicht glauben, dann nicht akzeptieren, weil es ja gar nicht sein könne, dass ich in so kurzer Zeit die Unterlagen beschafft hätte. Nachdem ich aber darauf bestand, dass sein Kollege mir diesen Weg aufgezeigt habe, willigte er bitteren Herzens ein, die Ausführungen des Professors dem Baugesuch beizufügen. Ich weiß bis heute nicht, warum mich dieser Herr vom Bauamt auf dem Kicker hatte.

Mein goßes Glück war, dass ich studierte und mir damit die Zeit nehmen konnte, die Pfeile der Behörde unschädlich zu machen. Aber auch, dass ich sehr hartnäckig sein kann, wenn es darauf ankommt.

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Einmal im Leben – Teil 1

In den 1970er Jahren wurde ein Dreiteiler im Fernsehen gesendet. Titel: „Einmal im Leben“. Darin ging es um ein Ehepaar das ein Haus baute. Wir lachten uns kaputt, was den Beiden so alles geschah. Köstlich. Alles ging drunter und drüber. Nichts klappte wie geplant. Das Paar schlitterte immer am Rande eines Nervenzusammenbruchs entlang.

„So blöd kann man doch nicht sein!“, dachten wir damals und hielten das alles für völlig überzogen. Eine amüsante Komödie eben. Etwas gestellt. So etwas geschieht doch nur im Film. Das würde uns niemals passieren.

Bald kam auch für uns die Zeit, in der wir das Wagnis stemmen wollten, die eigenen vier Wände zu errichten. Gut, es waren mehr als vier Wände, denn wir hatten ein großes Grundstück gepachtet und brauchten viele Zimmer, um unsere eigenen, aber vor allem die geplanten Pflegekinder gut unterbringen zu können. Daher sollte es ein zweistöckiges Haus sein, mit einer Grundfläche von rund 10 auf 15 Meter. Keller, Balkon und Terrasse.

In Erinnerung und Ermahnung an diese TV Serie, entschieden wir uns für eines der ersten Fertighäuser. Die waren damals erst im Kommen. Heute kann man sie auf dem Maimarktgelände in unzähligen Variationen bestaunen und auswählen.

Fertighäuser sind das, was der Name schon sagt. Die Wände werden in einer riesigen Halle vormontiert, ausgliefert und vor Ort innerhalb eines Tages zusammengebaut. Vor allem aber wurde auch alles innen drin mitgeliefert und montiert. Also „all inclusive“. Ein Preis. Flatrate wohnen sozusagen. Schlüsselfertig. Wunderbar!

Das hatte seine Vorteile. Dachten wir. Kein Ärger mit unterschiedlichen Handwerkern, die murksen, oder die Zeitpläne nicht einhalten würden. Fenster, Rolläden, Wasser, Strom, Heizung, Fließen, Badewanne, WC, Fußbodenbeläge, selbst die Tapeten und Abschlussleisten, alles war aus einer Hand und fertig montiert. Das schien uns ein guter Weg zu sein, dem ganzen Stress, den Wirrungen und dem Ärger aus dem Weg zu gehen.

Zudem wollten wir innerhalb 6 Monate in unser neues Haus einziehen. Ein ambitioniertes Ziel. Aber, das sei alles kein Problem sagte uns die Firma Weber, für die wir uns entschieden hatten. Das stimmte auch. Jedenfalls für den Teil, für den die Fertighausfirma zuständig war.

Wie immer im Leben, liegt der Teufel im Detail. Beziehungsweise im Vertrag, wie sich schnell herausstellen sollte. Dem Fluch eines Häuslebauers entgeht niemand ungestraft. Das wusste ich damals noch nicht. In meinen Gedanken und Träumen sah ich mich schon in wenigen Monaten in unserem eigenen, gemütlichen Haus. Stolz, erholt und zufrieden. Alles easy.

Die erste unliebsame Überraschung war, dass die Firma Weber keine Keller baute. Wir wollten aber unbedingt einen. Die Firma, die uns den Keller bauen würde, mussten wir auch noch selbst finden. Gut, das bekommen wir hin. Dachten wir. Aber nicht so schnell, dass wir innerhalb 6 Monaten fertig werden würden. Wenn wir Glück hätten, dann würde bis dahin der Aushub und die Bodenplatte fertig sein. Ein gemauerter Keller würde Wochen dauern und dann müsste ja auch noch eine Decke gegossen werden. Der Boden für das Fertighaus, sozusagen.

Nun bahnten sich die ersten Panikattacken an. Das war nicht der Plan. Okay, auch bei einem Fertighaus brauchte man scheinbar gute Nerven. Begriffen. Zum Glück fanden wir jedoch eine Firma in Mosbach, die Keller in Fertigbauweise herstellte. Auch diese stellte die Außenwände und Innenwände aus Beton in einer großen Halle her, lieferte sie auf riesigen Hängern aus, hievte sie mit einem riesigen Kran in die Grube und baute sie vor Ort zusammen. Fertig wäre der Keller. Vor allem hatte sie Zeit, denn dieser war ein Kunde abgesprungen und sie konnte uns dazwischen schieben. Schwein muss man haben.

Diese Bauweise war zwar etwas teurer, aber mir war inzwischen alles recht. Hauptsache das Problem war gelöst. „Eine kleine Welle wirft noch keinen Kahn um.“, stöhnte ich innerlich. Es konnte losgehen und ich konnte in Ruhe weiter studieren, die Frau halbtags arbeiten gehen. Nach dem Motto: „Auf los geht’s los“

Teil 2 am 30.04.2022

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Überraschung im Zimmertheater

Letztes Jahr traf ich mich mit Rolf Schüler-Brandenburger, einem guten Freund aus meiner aktiven Berufszeit in Speyer. Er war als Heimleiter einmal ein Geschäftspartner und ein anderes Mal ein Freund mit dem man in Speyer zu Mittag aß. Wir tauschten uns aus was wir nach der Pensionierung bis zum Tage des Treffens so alles erlebt hatten. Er erzählte mir, dass er sich als Schauspieler in einem kleineren Theater in Speyer engagieren würde. Ich dagegen berichtete ihm von meinem Buch: „Tinas Tagebuch“, meiner Homepage: „manfredsiebler.com“ und dass bald ein weiteres Buch von mir veröffentlicht wird. „Gib mir Schutz“ lautet der Titel.

Mit meiner Enkeltochter Monique besuchte ich dann in der Heiliggeistkirche in Speyer das Drama „Endgeil“ wo wir besagten Rolf in seiner Rolle als Schauspieler bewundern konnten. Wir waren beide begeistert von der Aufführung.

Als ich dann mit bekam, dass ein weiteres Stück, in dem Rolf eine tragende Rolle spielt, nach vier Jahren ausläuft, machte ich mich auf ins Zimmertheater, um auch das Stück „Dienstags bei Morrie“ zu erleben.

Da saß ich nun, in der zweiten Reihe in der Heiliggeistkirche und harrte auf der Dinge, die da kommen sollten. Die Bühne noch leer, Gemurmel in der nach Corona-Regeln voll besetzten Kirche. Da wurden meine Gedanken von einem Gespräch hinter mir unterbrochen. Eine Reihe hinter mir, so dass ich zwangsweise mit hören musste.

„Ja, der Manfred Siebler. Der hat ja ein Buch veröffentlich….“, glaubte ich zu hören. Was für ein Schwachsinn, das bildete ich mir doch nur ein, oder? Wer sollte sich denn in einem Speyrer Theater über mein Buch unterhalten? Verrückt, was sich da meine Gedankenwelt ausdachte. Aber weil sich das weitere Gespräch immer noch um mein Buch „Tinas Tagebuch“ drehte, bog ich, neugierig geworden, etwas meinen Kopf zur Seite, um zu sehen wer da saß.

Es waren drei Personen, älteren Datums und was ich sah ließ mich dann ganz umdrehen. Der eine Mann kam mir gleich bekannt vor. Das Paar daneben irgendwie auch, aber es musste schon einige Jahre her sein, dass wir etwas miteinander zu schaffen gehabt hatten. Der Wortführer der Dreiergruppe hatte mich wohl sofort erkannt und gab seinem Erstaunen Ausdruck. Er konnte es kaum glauben, dass dieser „Buchschreiber“, um den es gerade ging direkt vor ihnen saß. Bei beim nun folgenden Wortwechsel dämmerte mir immer mehr, dass es sich um Martin, einem früheren Sozialarbeiterkollegen aus dem Kreis Jugendamt in Ludwigshafen handelte.

Nein, dass konnte es doch gar nicht geben, so ein Zufall, ein Zusammentreffen nach zwei Jahrzehnten. Die beiden anderen Theaterbesucher konnte ich während des Gesprächs in der Kürze nicht identifizieren und wie sich später herausstellte waren es zwei ehemalige Mitarbeiter der Arbeitsgemeinschaft für Jugendhilfe in Schifferstadt, mit denen die Schutzhilfe eine enge Zusammenarbeit pflegten.

Nach dem tollen Stück, in dem Rolf Schüler-Brandenburger wieder einmal glänzte, unterhielten wir uns angeregt, während wir auf unseren Schauspieler warteten. Ich freue mich noch heute, über dieses völlig unerwartete Zusammentreffen und wundere mich, wie klein doch diese Welt ist.

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Paris wir kommen

Wir waren im Sitzungssaal des Kreis Jugendamtes versammelt. Eine Erziehungskonferenz, in der fachübergreifend über Probleme gesprochen wurde. Wieder einmal. „Wir“ waren die Sozialarbeiter des Jugendamtes. Es ging um dies und das. Dieses Mal auch um zwei Beförderungen. Ein Sozialarbeiter vom Pflegedienst und ich von der Schutzhilfe wurden zum Oberinspektor ernannt. Jetzt waren wir sowas wie der Oberinspektor Derrick von der damals weit bekannten Krimiserie. Vor allem aber bekamen wir ein höheres Gehalt.

Darauf musste natürlich angestoßen werden. Der anschließende Sektumtrunk beflügelte unsere Stimmung. Der beförderte Kollege bat plötzlich um Gehör, es wurde still und alle spitzten die Ohren. Was wurde da verkündet?

„Alle herhören! Wie ihr wisst, sind wir mit dem Pflegekinderdienst und den Pflegeeltern mit ihren Kinder in Tirol. So wie jedes Jahr. Weil ich heute befördert worden bin und mich freue wie Bolle, lade ich dort alle, die das auf sich nehmen wollen, zu einem tollen Essen in einem hervorragenden Restaurant ein. Natürlich auf meine Kosten. Bin gespannt, ob sich jemand von euch aufmacht und mit mir dort feiern möchte.“, sagte er und sonnte sich darin, wie alle Kollegen und Kolleginnen dies mit Klatschen honorierten.

Das konnte ich natürlich nicht auf mir sitzen lassen. Der Sekt, die euphorische Stimmung, waren eine gefährliche Mischung und so stand auch ich auf.

„Ja, und wer dann noch nicht genug hat vom kollegialen Zusammensein, der kann sich aufmachen und auf meine Kosten in den Sommerferien in Paris dasselbe erleben. Wir sind mit der Schutzhilfe dort. Ein Zwischenstopp auf der Fahrt nach La Rochelle.“, verkündete ich.

Hatte ich das jetzt wirklich gesagt? Oder träumte ich? Was hatte mich da geritten?

Meine Euphorie dauerte nicht allzu lange. Schon bald kam Ernüchterung und die ersten Bedenken. Diese schob ich jedoch konsequent zu Seite.

Mal ehrlich, wer sollte schon wegen einem Essen und sei es noch so toll, extra nach Paris fahren? So verrückt war hier doch niemand. Meinem Kollegen wird es in Tirol nicht anders gehen. So kann man sich beliebt machen und es kostete noch nicht einmal was.

Aus den Augen, aus dem Sinn. Der Spruch traf in jedem Fall auf mich zu. Ich hatte das Ganze schnell verdrängt. Was sind schon Worte. Der Alltag in der Schutzhilfe hatte mich fest im Griff.

Das Erste, was mich erstaunte war, dass mein Chef darauf bestand die 2 Tage in Paris mit der Schutzhilfe verbringen wollte. Na ja dachte ich mir, er ist ja immerhin der Jugendamtsleiter und als solcher sehr an solchen Aktivitäten interessiert. Er war auch schon bei einer Freizeit der Schutzhilfe in Korsika m it dabei. Sogar bei der ersten Freizeit der Schutzhilfe, in St. Maris-de-la-Mer, war er dabei. Also nichts Ungewöhnliches.

Mit zwei VW-Bussen der Kreisverwaltung ging es ab nach Paris. In einem Vorort hatten wir einen Campingplatz reserviert, der in unmittelbarer Nähe einer U-Bahn lag. Nach Aufbau der beiden Zelte, ging es mit der Bahn in die City. Alle waren mit dabei. Die Kathedrale Notre Damewar ein Ziel, dass meinem Kollegen besonders am Herzen zu liegen schien, kamen wir doch kaum davon los. Mein Chef hielt uns auch sehr auf. Das kam mir langsam spanisch vor. Wir waren alle ziemlich geschafft, hatten wir doch schon alles hinter uns. Den Eifelturm, die Sacre‘-Cour, den Montmartre, den Arc de Triomphe und die Champs-Elysees. Daher bestand ich darauf, dass wir einen Kaffee, oder eine Cola trinken sollten. Auch wenn es sicher nicht billig war. Doch fertig wie ich war, ging nichts mehr.

Wir kehrten in ein Café ein, das sich schlauchartig in die Länge zog. Alles egal, die Hauptsache ich konnte mich etwas erholen. Der Eingang lag in meiner Blickrichtung, daher bemerkte ich, dass mein Kollege mehrmals nach draußen ging. Das war seltsam, aber mein Chef und die ganze Rasselbande beschäftigten mich derart, dass ich keinen weiteren Gedanken daran verschwendete.

Der Kaffee tat richtig gut, das Wasser dazu war erlabend. Ich lebte wieder auf. Mein Blick zum Eingang war ein wenig getrübt, aber plötzlich, als würde die Linse scharf gestellt, denn was ich da sah irritierte mich kolossal, kam doch tatsächlich das halbe Jugendamt auf mich zu. Lachend, winkend und ausgelassen, dass alle Gäste des Lokales in ihre Richtung sahen. Was war das denn? Ein Traum?

Wie ein Blitz durchzuckte mich der Gedanke, dass diese gekommen waren wegen des Einlösens meines längst vergessenen Versprechens. Ein fürstliches Essen mitten in Paris, um meine Beförderung zu feiern. Was war ich doch für ein Depp! Das hätte ich mir doch denken können. Und – was jetzt?

Nach der Begrüßungseuphorie stellte sich heraus, dass mein Kollege, in Zusammenarbeit mit dem Chef, hinter dieser Überraschung steckten. Sie hatten die Planung übernommen. Alles generalsstabsmäßig ausgeheckt, wie die Besucher auf mich treffen konnten. Zusammen mit dem Freund einer meiner Jugendlichen, der auch auf dieser Freizeit der Schutzhilfe dabei war und auf dem Campingplatz die Aufsicht für die Stunden unseres Essen übernahm. Er war Mitte 20 und in der Ausbildung zum Meister unterwegs, sodass es schon zu verantworten war.

So lief es dann auch ab, wir waren unter uns, die Jugendamtsmitarbeiter, der Chef und ich. Die Planung sah vor von der Insel, auf der die Kathedrale Notre-Dame stand, über eine kleine Brück in ein Sträßchen zu gehen, in dem wir nach kurzer Zeit den unscheinbaren Eingang zu dem bekannten und angesagten Restaurant „Der Gallier“fanden.

Erst ging es im Erdgeschoss an einem Buffet vorbei, wo allerlei zu bestaunen war in seiner Vielfalt. Hier wurden den Gästen Leckereien in rauen Mengen und verschiedener Ausgestaltung dargeboten. Man bekam schon vom Betrachten Appetit ohne Ende. Mehrere Fässer folgten, an denen sich mehrere Besucher mit irdenen Krügen zu schaffen machten. Alles wirkte sehr rustikal und urwüchsig.

Im Untergeschoß war ein Tisch für uns reserviert. Es ging los. Die als Gallier  kostümierten Kellner brachten 3 Körbe mit frischem Gemüse. Baguett, Butter, gekochte Eier, Radieschen, Rettig, usw. Als Vorspeise. Beim Hauptgericht konnte man wählen. Ich hatte mich für Lammkoteletts mit Beilagen entschieden. Als Nachtisch gab’s Käseplatte. Wein floss ich Strömen. Dazu musste immer abwechselnd ein Anderer mit leerem Krug nach oben gehen und an den Fässern nachfüllen. Das war eine Gaudi.

Die Stimmung war bombastisch und gipfelte im Singen der Internationalen. Schon interessant bei einer Kreisverwaltung, die von einem schwarzen Landrat und schwarzen Mehrheit im Kreistag dominiert wurde. Ernüchtert zahlte ich die über 1.500 französische Franc mit zwei Euroschecks. Laut singend verließen wir den Gourmettempel.

Gelernt hatte ich daraus, dass es durchaus von Vorteil ist zuerst zu überlegen, bevor man etwas von sich gibt.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Hilfe, die Termiten kommen.

Als ich Spieß der Kompanie war, hatte ich viele Möglichkeiten, die nicht immer zielfördernd waren. Eine davon möchte ich spaßhalber hier erzählen.

Jede Kompanie hatte einen Aufenthaltsraum, der für verschiedene Möglichkeiten genutzt werden konnte. Was alle diese Räume gemeinsam hatten war ihre nüchterne, kalte Ausgestaltung. Einfache, schmucklose Tische, Stühle, vielleicht eine Großmuttercouch. Einziges Zugeständnis an die Gestaltung waren ein Bild oder irgendwelche Ehrenurkunden.

Dies wollte ich ändern und ließ mir etwas, meiner Ansicht nach, wirklich Phänomenales einfallen. Ein Terrarium für Krabbeltiere. Nach meinen Vorstellungen aus V-Eisenteilen zusammengeschweißt, Glas eingesetzt und nach oben mit engmaschigen Drahtgeflecht abgegrenzt. Nach unten und oben konisch zulaufende Behälter, die verbunden waren mit einem rechteckigem Verbindungsteil.

In diesem Ungetüm wollte ich ein kleines Ameisenvolk aus dem nächsten Wald ansiedeln und entsprechend versorgen. Zwei Infrarotlampen sollten Tageslicht, aber auch Wärme erzeugen.

In Gedanken sah ich mich und meine Soldaten die Ameisen beobachten, wie sie so lebten, Eier legten, die geschlüpften Jungameisen dann aufgezogen wurden. Sicherlich ein Projekt, dass alle Besucher anzog, begeistern würde und endlich einmal einen Aufenthaltsraum lebendiger gestaltete.

Die Arbeiten an dem Zukunftsprojekt zogen sich dahin. Die zwei Soldaten, die sich für dieses Wunderwerk meldeten, bekamen jeweils 2 Tage Sonderurlaub, wenn sie nach Hause mussten, um Material oder Werkzeuge zu beschaffen. Das sollte Motivation genug sein.

Jeden Tag besichtigte ich den Fortgang, auch wenn es nichts zu besichtigen gab, ich sah mich schon am Ziel meiner Phantasie.

Da kam jedoch überraschend der Bataillonskommandeur mit seinem Stab zu irgendeiner Besprechung. Weitere Kompaniechefs in seinem Gepäck. Warum die ausgerechnet in unserem Aufenthaltsraum tagen wollten, war mir schleierhaft, gab es doch beim Bataillon entsprecht ausgerüstete und viel bessere Räume hierfür.

Mein Erstaunen war grenzenlos, als mich der Herr Oberstleutnant rufen ließ. Ich sollte sofort im Aufenthaltsraum „antanzen“, so ein Ordonanzoffizier. Uniformjacke an, Mütze auf und aufgeregt „tanzte“ ich an.

„Hauptfeldwebel Siebler meldet sich, wie befohlen!“, so meine Meldung an den Kommandeur. Ich wollte eigentlich gleich nach dem Gruß mit der Hand in die „rührt euch Stellung“ gehen, doch dazu kam keine Freigabe, also blieb ich in der Habachtstellung.

„Was sind sie für ein Spieß?“, raunzte er mich an. „Was geht bei Ihnen im Kopf herum?“ Aha, das wird ein Anschiss dachte ich still ergeben.

„Das Zeug hier…“, abfällig deutete er auf das fast fertige Eisengestell des Terrariums hin, das in der Ecke des Aufenthaltsraumes thronte. „Das verschwindet sofort und kommt mir nicht mehr vor die Augen!“

„Was haben Sie sich denn dabei gedacht Herr Hauptfeldwebel? Ist ihnen nicht klar, was damit alles passieren kann, wenn die Biester ausbrechen? Ich komme aus Ostpreußen und dort haben Termiten ganze Häuser zum Einsturz gebracht. Dafür zahlt keine Versicherung.“

Immer noch stramm stehend, wurde ich von allen anwesenden Offizieren interessiert begutachtet. Ich wollte dem Herrn Oberstleutnant in Ruhe erklären, dass Waldameisen keine Termiten sind, aber das hatte mein Vorgesetzter wohl bemerkt und schrie mich cholerisch an: „Lassen Sie es ja sein! Das Zeug verschwindet. Sofort! Sie auch! Verschwinden Sie aus meinen Augen.“

Total verdattert und mit hochrotem Kopf grüßte ich, machte eine Kehrtwendung und nichts wie weg aus der Hölle mit dem Teufel, der mich vor allen so zur Schnecke gemacht hatte.

Später kam mein Kompaniechef von der Besprechung mit dem Bataillonskommandeur zurück und tröstete mich, der „Alte“ habe eben seine Mucken und ich sollte das „Zeug“ eben entsorgen. Er hätte nichts dagegen gehabt, sonst hätte er es schon längst verboten.

Dass sein Chef Ameisen und Termiten nicht auseinanderhalten konnte und da eine Phobie dagegen habe, hätte er nicht gewusst. Aber, so wie er mich kenne, fiele mir sicher wieder etwas ein. „Also Kopf hoch Spieß.“, sagte er.

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Persona non Grata

Ja, ich hatte die beste Mutter der Welt, dennoch war meine Kindheit durch die turbulente Weltgeschichte, mit dem irrsinnigen 2. Weltkrieg und dessen Folgen, belastet.

Ausgebombte Wohnung in Pforzheim, evakuiert nach Manching in Bayern und stufenweise Rückkehr nach dem Krieg in Richtung Pforzheim, landeten wir erst bei der Oma, väterlicherseits in Reutlingen und dann in Karlsruhe bei Onkel, Tante und Cousine.

Um in eine andere Stadt umziehen zu dürfen, benötigte man eine Arbeitsstelle und einen Mietvertrag, die Freizügigkeit war eingeschränkt, im neuen Grundgesetz sowieso erst 1949 festgelegt.

Meine Mutter und ich erfüllten die Voraussetzungen zum Umzug von Reutlingen in die Nähe von Pforzheim, wo Wohnraum durch die Totalzerstörung mehr als knapp waren: Arbeitsplatz „Dienstmädchen“ und Wohnung „1 Zimmer und „Dachstube“ im herrschaftlichen Haus der Verwandtschaft.

Die totale Ausbeutung der Arbeitskraft meiner Mutter, Diskriminierung, Nichtachtung ihrer Persönlichkeit, führten schnell dazu, dass es zum eklatanten Krach zwischen uns kam.

Der Lohn für die achtzig Stundenwoche, sollte das Erlassen der Miete sein. So war das nicht vereinbart. Meine Mutter kündigte das Arbeitsverhältnis und verdiente ihr Geld für unseren Unterhalt durch Putztätigkeiten in Karlsruhe. In ihrem erlernten Beruf der Goldschmiedin, gab es keine Verwendung in der Beamtenstadt.

Krieg im Hause der enttäuschten Schwägerin und ihres Mannes war vorprogrammiert. Wir wurden zur PERSONA NON GRATA und sollten sofort ausziehen, zu undankbar seien wir. Aber wohin ziehen? Gerne sofort, nichts lieber als das, doch weder in Karlsruhe, noch in Pforzheim trug uns jemand eine Wohnung an.

Krieg mit ungleichen Mitteln begann, davon 3 Aktionen unserer Verwandten sollen verdeutlichen, wie sie versuchten uns schnell los zu kriegen.

Einen eigenen Wohnungseingang hatten wir nicht. Unsere Wohnungstüre ging auf den gemeinsamen Gang, den wir mit unseren verwandtschaftlichen Vermietern Uhrmachern teilten. Auf diesem Stock arbeiteten die Beschäftigten meines Onkels, der eine sogenannte Uhrenfabrik für exklusiven Uhren hatte.

Vor dieser Türe standen eines Tages zwei uniformierte Polizeibeamte mit einem Hausdurchsuchungsbefehl. Grund dafür war eine Anzeige meines Onkels gegen uns, wegen Diebstahls. Mehrere wertvolle Uhren seien von uns aus der „Fabrik“ entwendet worden.

Unser Erstaunen war noch größer, als die Beamten bei ihrer Durchsuchung tatsächlich diese Uhren bei uns fanden. Gut versteckt in einem Wäschefach. Polizeivernehmungen meiner Mutter, Schreiben der Staatsanwaltschaft und Niederschlagung der Anzeige durch diese, führten zum Glück nicht zur Gerichtsverhandlung, oder gar Verurteilung.

Mangel an Beweisen war der Grund dafür. Meine Mutter hatte weder Schlüssel für die Arbeitsbereiche der Uhrmacher, noch lag ein Einbruch vor. Daher kam schnell der Verdacht auf, mit einer Verurteilung wegen Diebstahls sollte eine fristlose Kündigung gerechtfertigt werden.

Der nächster miese Coup, folgte auf den Fuß: Mangels anderer Kinder in der Straße der wohlhabenden Anwohner, meldete mich meine Mutter bei der Jungschar an, eine Kinderbetreuung der evangelischen Kirche, die mehrere Angebote im Monat durchführten. So waren immer wieder sonntags Ausflüge, Wanderungen im Programm.

An einem Sonntag, nur kurze Zeit nach der Diebstahlsgeschichte, wollte ich morgens um 9 Uhr zur Kirche laufen, unserem Treffpunkt für den Ausflug. Ich war angemeldet und meine Mutter hatte bereits einen geringen Betrag hierfür geleistet. Aber die Haustüre war abgeschlossen und wir konnten das Haus nicht verlassen. Onkel und Tante zeigten sich nicht nach meinem Klingeln. Wir waren von den eigenen Verwandten gefangen. Eingesperrt, nichts ging mehr.

Aber da ich bisher immer zuverlässig bei der Jungschar erschienen und auch das Geld schon bezahlt war, kam dem Leiter Jungschar mein Fehlen komisch vor. Kurzentschlossen kam er mit rund fünfzehn Kindern zum Haus in dem wir wohnten, um nach meinem Verbleib zu forschen.

Auf sein Klingeln wurde nicht geöffnet. Ich sah jedoch die Gruppe auf der Straße stehen und rief durch ein geöffnetes Fenster, dass ich eingesperrt sei und das Haus nicht verlassen könne. Vor allem aber wer uns gefangen hielt.

Der Jungscharchef wusste Rat. Er skandierte mit seiner Gruppe in regelmäßigen Abständen: „TÜRE AUF! TÜRE AUF! TÜRE AUF!“

Das hatte einen durchschlagenden Erfolg, denn das passte nicht in eine Gegend, in der wohlhabende Hausbesitzer wohnten. Schon gar nicht an einem besinnlichen Sonntagmorgen. Die ersten Fenster wurden bereits aufgerissen und Passanten strömten auf die Straße, um nachzuschauen, was da los sei.

Daher kam es, wie es kommen musste, mein Onkel und meine Tante mussten nachgeben und und uns frei lassen. Glücklich und froh, konnte ich dann mit den Freunden zum Ausflug.

Noch immer hatten meine Verwandten keinen Erfolg mit unserer Vertreibung. Das wurmte sie. Wir, die lästigen „Läuse in ihrem Pelz“ stachelten meine nette Verwandtschaft jetzt zur Höchstleitung an. Der Onkel hatte es sichtlich satt. Wir mussten raus. Frei nach dem Motto, sind sie nicht willig, dann eben mit Gewalt.

Als ich eines Tages mit meiner Mutter aus der Stadt nach Hause kam, trauten wir unseren Augen nicht. Die Straße vor unserem Zuhause sah aus, als wäre Sperrmüll Abholung. Alle unsere Möbel, Bettzeug, Hausratsgegenstände , unser ganzes Hab und Gut, stand auf dem Gehweg vor unserem Wohnsitz.

Das war zu viel für meine Mutter. Sie brach in Tränen aus, ich drängte mich an sie und wollte sie trösten. Aus Verzweiflung, wurde jedoch schnell pure Wut. Sie machte sich los und stürmte wie ein wildgewordenes Nashorn zum Haus. Aber da war kein Durchkommen, denn unsere „lieben Verwandten“ hatten das Schloss an der Haustüre auswechseln lassen. Aber die Gartentüre war offen. Wir stürmten von hinten auf die Terrasse, aber bevor meine Mutter ihre aufgestaute Wut los werden konnte, verzogen sich alle ins Haus und verschlossen die Türen hinter sich. Das passte zu dieser hinterhältigen, feigen Bande!

Wir gingen daher zur Polizei, die uns weiter leitete zum Amtsgericht. Nach langem hin und her wurde den Beamten ein Beschluss ausgehändigt, die den Vermieter unter Strafe verpflichtete, uns wieder in unsere Zimmer zu lassen und die Möbel und alles was sonst noch auf dem Gehweg stand, an seinen Platz zurückzubringen.

Als wir oben ankamen sahen wir, dass die Wand zur Uhrenfabrik herausgebrochen war und unser Hab und Gut aus diesem Weg herausgeholt worden war. Die heraus gebrochene Wand wurde erst einen Tag später notdürftig wieder zugemauert. An ihren Arbeitsbereichen sahen wir aber keine Uhrmacher sitzen, die hatten wohl Urlaub, oder sonst wie frei bekommen. Wahrscheinliche, dass sie nicht Zeuge dieser schändlichen Tat werden konnten.

Die Woche darauf fuhren wir mit dem Zug nach Pforzheim, zu unserer vielfältigen Verwandtschaft. Diese halfen uns in Pforzheim eine Wohnung zu bekommen. Viel Glück und Zufall trugen dazu bei. Gott sei Dank, vielleicht war es auch sein Werk.

So hatte der Aktionismus von Onkel und Tante doch noch was Gutes, wer weiß wie lange es noch so weitergegen wäre.

 

 

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Wache ist Wache

Es gab einmal eine Zeit, da war ich Paradesoldat. Das heißt, ich war bei einem Wachbataillon des Verteidigungsministerium in Bonn und wurde bei Staatsempfängen eingesetzt. Ich erinnere mich an die Empfänge von John F. Kennedy, dem Außenminister von Italien Herr Fanfanie, dem französischen Staatspräsidenten Charles de Gaulle, Lord Louis Mountbatten of Burma (der Onkel Königin Elisabeth und letzter Vizekönig von Indien), oder Kosaka Zentraro Außenminister von Japan und vielen anderen, an deren Namen ich mich nicht mehr erinnere.

Diese rund tausend Paradesoldaten konnte man selbstverständlich nicht nur mit Repräsentationsaufgaben beschäftigen, den so viele Staatsbesuche, oder Zapfenstreiche gab es ja nicht. Daher setzte man uns auch zur Bewachung des Verteidigungsministerium ein und davon möchte ich eine Geschichte erzählen.

In den 60iger Jahren war das Verteidigungsministerium in mehreren Gebäuden untergebracht. In und rund um Bonn, der damaligen Hauptstadt der Bundesrepublik Deutschland, denn Berlin war ja noch in Ost und West geteilt. Unser höchster Chef war derzeit Franz Josef Strauß (CSU). Wir waren in der Ermekeilkaserne, mitten in Bonn, untergebracht. Der größte Teil des Ministerium hatte jedoch seinen Sitz auf der Hardthöhe.

Der militärische Abschirmdienst (MAD), ein Zweig des Verteidigungsministeriums, hatte einen eigenen Bereich gegenüber, wo auch die riesige Heizungsanlage für alle Einrichtungen mit untergebracht war. Es gab weitere Außenstellen. Zum Beispiel in Troisdorf. Alle diese Anlagen wurden von Siegburg aus, wo das Wachbataillon seine Kaserne hatte, mit Wachpersonal versorgt.

Einer dieser strammen Wachposten war ich, der stattliche, eins neunzig lange, blutjunge Gefreite Manfred Siebler.

1 Tag Wache, 2 Tage militärische Ausbildung. Dazwischen die repräsentativen Aufgaben bei den Empfängen. In den 24 Stunden Wachen, war man 2 Stunden draußen auf Streife, oder Posten am Eingang, dann 4 Stunden zur Erholung und Aufwärmen im Wachgebäude, danach wieder Streife.

Der MAD umfasste ein wesentlich kleineres Kasernengelände, als die anderen Anlagen und wurde daher gerne von uns bewacht, weil es überschaubar war.

Wache schieben, 2 Stunden mit dem Gewehr auf der Schulter seine Runden drehen zu müssen, war ermüdend, langweilig und trostlos. Die Zeit zog sich wie ein Kaugummi. Daher hielten wir uns zeitweise bei den Heizern in dem riesigen Heizungsgebäude auf. Dort war es warm, es gab starken Kaffee und dicke Schmöker, mit denen wir uns die Langeweile vertreiben konnten.

Das war natürlich nicht Sinn der Sache. Aber in jungen Jahren machte man, auch in unserer Zeit, nicht unbedingt das, was sinnvoll war. Beim Bund war ja sowieso tarnen und täuschen angesagt. Das sollten wir ja lernen, oder? Allerdings konnte man hart bestraft werden, wenn man dabei erwischt wurde. Doch wer sollte einem dabei schon ertappen, dachten wir.

Um die Sicherheit der beiden Anlagen machten wir uns keine Gedanken. Den 2,2 Meter hohen Zaun und fast überall zusätzliche S-Rollen aus Stacheldraht obendrauf, hielten wir für abschreckend genug. 

Um wach zu bleiben, aber auch aus Langeweile, trank ich meist mehr als drei Tassen starken Bohnenkaffee. So auch am heutigen Tag. Gegen 1 Uhr nachts bereits die dritte Tasse, die einen Toten hätte erwecken können. Daher vibrierte ich innerlich. Heute waren die zwei Heizer nicht sehr gesprächig und der Schmöker auf dem schmutzstarrendem Tisch nicht ansprechend, daher ging ich auf einen weiteren Streifengang. Zudem wollte ich mich auf halber Strecke mit meinem besten Kameraden Aland treffen, der ebenfalls Wache hatte. Geteiltes Leid ist halbes Leid, heißt es doch.

An meinem Wendepunkt angekommen war allerdings kein Aland da. „Verdammt, den musste ich verpasst haben.“, dachte ich bei mir und ging langsam meine Rund zurück, in Richtung Tor und Wachhaus.

Was ich nicht wusste und erst später erfuhr war, dass es einen Hauptmann gab, der die Aufgabe hatte bei uns Wachposten Kontrollen durchzuführen. Also an allen Standorten des Ministeriums zu prüfen, ob wir als Wachsoldaten unsere Aufgabe erfüllten. Dieser Hauptmann war ein scharfer Hund, der seinen Dienst sehr ernst nahm. Er kontrollierte nicht nur die Wachtposten an den Eingängen der Niederlassungen, sondern auch die Streifenposten, welche an den Zäunen rund um das ganze Gelände zu patrouillieren hatten. Also auch meinen Kumpel Aland und mich.

Dazu ließ er sich sogar von seinem Fahrer oft in die Nähe der Kasernenanlage fahren, um sich an die bewachten Umzäunungen zu schleichen. Es machte ihm wohl Spaß, die Wachposten zu überraschen. Vor allem aber bei Fehlern zu erwischen. Ein kindlicher, perfider Spaß, der einem Rang als Hauptmann nicht angemessen war. Aber auch ein nicht ganz ungefährlicher.

Heute sollten wir daran sein. Scheinbar hatte es sich in seinen Kreisen herumgesprochen, dass die Wachposten sich nicht nur gerne beim MAD Gelände einteilen ließen, weil es so übersichtlich war, sondern dass wir uns dort die überwiegende Zeit bei den Heizern aufhielten. Wer die Plaudertasche gewesen war, blieb ein Geheimnis. Das jedenfalls wollte er aufdecken. Seine militärische, ordnungsliebende Einstellung ließ nicht zu, dass die Bewachung eigentlich keine war.

Aber er wollte uns nicht einfach im Heizungskeller überraschen, sondern uns auch zeigen, was passieren kann, wenn man als Wachmann nicht auf seinem Posten und auf der Hut war. Dazu wollte er sich, wie ein Feind anschleichen und heimlich über den Zaun klettern. Vermutlich wollte er es uns Buben mal zeigen und hatte seinen Spaß dabei. Auch wenn es für den Herrn Hauptmann ein mühseliges Unterfangen war. Denn dazu musste er sich an einer Stelle, an der es keinen Stacheldraht gab, über den sehr hohen Zaun hechten. Sportlich.

Als Hilfsmittel hatte er sich einen Wurfanker mit Knotenseil gebastelt. Den warf er über den Zaun, zog ihn stramm, um sich auf der anderen Seite des Zaunes mit einem satten Plums knallen zu lassen. Er kam auch hinüber. Soweit so gut. Aber erhalte seine Rechnung ohne meinen Kameraden Aland gemacht. Gerade als er sich wieder aufrichtete, stand plötzlich ein Soldat hinter ihm.

 „Hände hoch Freundchen!“, knallte es ihm an den Kopf.

Der Schreck saß tief, aber nicht tief genug, denn sogleich begehrte der Ertappte auf. 

„Sind sie wahnsinnig geworden so mit einem Vorgesetzten zu sprechen?“, brüllte der Hauptmann meinen Kameraden an. Ob aus Schreck, oder weil es ihn ärgerte erwischt worden zu sein, blieb unklar. „Sie können mich doch nicht mit einer Waffe bedrohen!“

Aber das kam er bei Aland an den Richtigen, denn dieser lud die Waffe eiskalt durch, entsicherte sie, als der Hauptmann einen Schritt auf ihn zugehen wollte. Sofort verharrte dieser, denn er wusste das eine geladene, entsicherte Waffe kein Spaß mehr war. Die Wachposten hatten scharfe Munition in ihren Waffen, die unliebsame Löcher machen konnten. Vor allem aber hatte der Posten alles Recht davon Gebrauch zu machen. Dazu war er schließlich da.

„Wer mitten in der Nacht über den Zaun klettert, kann wohl kaum mein Vorgesetzter sein.“, knurrte mein Kumpel den vermeintlichen Eindringlich an, ohne sich solche hoch komplizierte und philosophische Gedanken zu machen.

„Scheiße mein Lieber, aber hier wird nicht spioniert, schon gar nicht, wenn ich hier Wache schiebe.“ fügte er hinzu. „Jetzt kein Wort mehr, die Hände oben gelassen und ab zur Wache. Dort wird sich schon herausstellen, wen ich da vor der Flinte habe. Los, los, dalli und keinen Widerstand sonst knallt es.“

Da hatte der Offizier wirklich Pech gehabt. Und wir einen unglaublichen Massel. Dass er ausgerechnet dann über den Zaun wollte, als wir Wachposten wirklich mal auf Zack waren. Vor allem am Zaun und nicht im Heizungskeller saßen.

Der Hauptmann ging dann auch brav mit zum Wachlokal. Was sollte er auch tun. Innerlich kochte er sicherlich. Der wachhabende Stabsunteroffizier staunte nicht schlecht, als die Beiden bei ihm eintrafen. Er verstand die Welt nicht mehr, der Hauptmann, der vor acht Stunden sich bei ihm im Eingang als Kontrolloffizier vorgestellt hatte, trottete brav vor einer scharf gemachten Waffe eines Gefreiten in seine Amtsstube. Was war da geschehen?

Schnell klärte sich auf, was Sache war. Der Wachhabende schickte meinen Kamerad wieder auf Streife mit der Bemerkung: „Das bedarf einer sofortigen Aufklärung, doch erst, wenn sie ihre Streifenauftrag beendet haben. Ich lasse mir so lange vom Herrn Hauptmann seine Sicht der Dinge erklären.“

Der hatte es aber ziemlich eilig, zeichnete im Wachbuch seine Kontrolle ab und bemerkte zornig: „Warten sie ab, da kommt noch was auf sie zu.“ Eilig strebte er durch das Tor, stieg in seinen Wagen, in dem sein Fahrer, mit laufendem Motor, auf ihn wartete.

Das Ergebnis der Geschichte war, dass der wachhabende Stabsunteroffizier nichts mehr vom Hauptmann hörte und mein Kamerad eine förmliche Anerkennung bekam, verbunden mit 2 Tagen Sonderurlaub. Na das war doch was!

Vorerst trank allerdings niemand mehr von uns bei den Heizern Kaffee, denn wir wussten ja nun, dass ein scharfer Hund hinter uns her war. Einer, dem es sicher sehr lieb wäre uns bei einem Regelverstoß zu erwischen.

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Hilfe, das überlebe ich nicht

Es war die Zeit, als ich Soldat und in Essen-Kupferdreh stationiert war. Als Gefreiter in einer Lufwaffeneinheit, die mit Flugabwehrkanonen, kurz Flak, ausgerüstet war.

Unsere Einheit hatte 3 Bofors L 40, ein mobiles Geschütz, das man manuell bedienen, oder über ein Radargerät steuern konnte. Also gehörten Stromerzeuger für die manuelle Bedienung und Radargeräte, alles mit dicken Stromkabeln verbunden, zu unserem Gepäck, die wir auf eine vierwöchige Feldübung mitzuschleppen hatten. Natürlich alles auf riesigen Lastern.

Diese fand am am Kleinen Ging statt, einem Ort, nahe bei Oldenburg. Diese Manöver, mitten auf einem Acker, untergebracht in einem winzigen Zwei-Mann-Zelt, waren für mich die Hölle. Dort war man, wie die berühmten Heringe in Öl in einer Dose eingezwängt. Wir hatten ja auf den ein Mal zwei Metern auch noch unser Marschgepäck unterzubringen. Der First des Minizeltes war gerade mal ein Meter hoch. Wie man da überleben sollte, bei Regen, Sturm und Kälte, war mir schon ohne Feindberührung schleierhaft. An einen Ernstfall wollte ich da erst gar nicht denken.

Von Beruf war ich Elektriker. Daher glaubte ich, mit meinem Wissen um das Ohmsche Gesetz, am Radarbereich am besten aufgehoben zu sein. Zudem saß man am Radar im Trockenen, denn dies war in einem Zelt, das größer war als unser Schlafzelt. Der Kanonier aber saß ungeschützt, Wind und Wetter ausgeliefert, auf seinem Geschütz. Soweit, so gut.

Nachtalarm! Zwei Uhr früh mussten wir uns, bei strömenden Regen aus dem Eierschalenzelt herausquälen. Schlaftrunken fuhr ich in meine feuchten Stiefel, schlüpfte in meine klamme Kampfjacke, stülpte mir den Stahlhelm auf und stolperte durch den Schlamm ins Radarzelt. Beim Ankleiden kam ich immer mit meinem Mitbewohner ins Gehege, der sich auch kampfbereit machen musste. Jede Sekunde zählte bei einem Alarm. Klar. Der Feind war im Anflug. Daher raste auch mein Kumpel zu seinem Geschütz, nahm Platz auf seiner Kanone und schaltete die Stromzufuhr ein. Das hatte wirklich nichts von der Romantik des normalen Campen an sich. Vorzugsweise im trockenen Süden. Das war einfach nur S…, äh eine Übung halt.

Ärgerlich war, dass wir jede Nacht durch Alarm geweckt wurden, um 2 Stunden hinter den Geräten zu sitzen, ohne dass auch nur ein Flugangriff stattgefunden hätte. So ging das jetzt schon seit 3 Wochen. Das zermürbte die Moral. Machte nicht unbedingt aufmerksamer. Daher döste ich auch in dieser Nacht vor dem Radarschirm vor mich hin. Voller Ärger, ja fast Wut, über diesen erneuten, unsinnigen Einsatz.

Der Radarstrahl zog seine Kreise und nichts war zu sehen. Scheiße, dachte ich und fluchte leise vor sich hin. Alle 5 Minuten gab ich durch, dass alles ruhig wäre. Nur das und mein Ärger hielten mich einigermaßen wach. Aber was war denn das? Ich hatte plötzlich ein Fluggerät auf meinem kleinen, grünen Bildschirm. Ich blinzelte kurz, versuchte die vermeintliche optische Täuschung zu verscheuchen. Nein, da war und blieb ein Objekt. Flughöhe 12.000 Meter konnte ich auf der Einteilung meines Radars erkennen. Auf einmal war ich elektrifiziert. Fuhr auf meinem Sitz in die Höhe. Spürte wie mir das Adrenalin durch den Körper schoss und mich hellwach machte. Verdammt! Wir wurden angegriffen.

Natürlich musste ich das sofort an unseren Zugführer durchgeben. Das war meine Aufgabe. Vor lauter Aufregung verschluckte ich mich, als ich das durchgeben wollte. Dann schrie ich, als hätte ich kein Funkgerät: „Feindliches Flugobjekt in 12.000 Meter aus Ost!“

“ Roger.“, hörte ich den Zugführer auf der anderen Seite des Äthers. Cool, als käme das jede Nacht vor. Ich begann vor Aufregung zu schwitzen, denn meine Aufgabe war es nun, jede Veränderung der Höhe des Flugobjektes durchzugeben. Der Zugführer entschied über Abschuss, oder nicht.

„11 500… 11.000.“, gab ich durch. Es war ein Canberrabomber. Eine ziemlich lahme Ente, die mit vielleicht 500 km/h Geschwindigkeit auf uns zu kam. Das Objekt befand sich jetzt im leichten Sinkflug.

Plötzlich wurde aus der lahmen Ente jedoch eine schnellere, denn der Bomber sank nicht nur schneller, sondern schien auch an Geschwindigkeit zuzulegen.

„10.500… 9.500… 8.500… 7.000… 5.000…“, gab ich durch.

Es ging immer schneller einmal was die Entfernung anging und dann die Höhe. „Der scheint richtig herunter kommen zu wollen.“, dachte ich bei mir. Mir wurde immer unwohler. So langsam der Typ auf uns zukam, um so mehr hatte ich Zeit zu überlegen. Er stürzte immer tiefer. Bei 4.000 Metern erstarrte ich langsam. Was hatte der denn vor? Hier ist doch gar keine Landebahn.

Ich kam gerade noch mit meinen Meldungen hinterher. Bei 3.000…, 2.000 Metern bekam ich vor Scheck einen trockenen Mund, fast musste ich mich wiederholen.

„Der Kerl ist doch viel zu schwerfällig, um die Mühle wieder hoch zu ziehen!“, dachte ich nun. „Wenn das so weitergeht stürzt der Bomber bei uns ab.“

Meine rechte Hand, die das kleine Rad bewegte, mit dem der Unterschied zwischen dem Flugobjekt und unserer Stellung und dem Winkel dazu anzeigte, begann zu zittern.

Bei 1.000 Metern, hatte ich, trotz der nächtlichen Kälte die mich umgab, einen Schweißausbruch. Bei 500 Meter sah ich mich bereits in einem Bombentrichter liegen. Zerfetzt, aufgelöst in unendlich viele kleine Teile. Unauffindbar.

Wahrscheinlich war das eine Art Panikattacke. Durch die Übermüdung der ständigen Nachteinsätze, gaukelte mir mein Hirn apokalyptische Bilder vor, die mich völlig außer Gefecht setzten. Ich konnte keine Meldung mehr abgeben. In völliger Erstarrung saß ich vor dem grün schimmernden Plasma und starrte auf das feindliche Objekt, wie die Maus auf die Schlange. So bekam ich gar nicht mit, wie sich mein heller Punkt plötzlich entfernte und wieder langsam an Höhe gewann.

Zum Glück hatte nur mein Unteroffizier, der mich am Radargerät einzuweisen hatte mein Verhalten mitbekommen. „Mein Gott, warum haben sie denn die Meldungen aufgegeben?“, schnauzte er mich an. „Wie soll denn unser Zugführer ohne Meldung rechtzeitig schießen? Das wäre ganz schön in die Hose gegangen, ob der den im Ernstfall runtergeholt hätte, bezweifle ich.“

Bevor mir das so richtig peinlich werden konnte kam jedoch der Zugführer aus seinem Teil des Zeltes und verkündete stolz: „Den hätten wir aber abgeschossen, bevor der uns bombardiert hätte.“

Er erklärte mir dann, dass er mit den Kanonen schon gefeuert hatte, als ich noch Meldungen durchgeben hatte. Im Ernstfall wäre der Bomber gar nicht mehr auf meinem Bildschirm gewesen, weil der Treffer ihn heruntergeholt hätte.

Wie hätte ich das wissen sollen? Durchgeschwitzt, bis auf auf die Knochen, stand ich da und dachte: „Schwein gehabt!“

Vielleicht war dieses Erlebnis ausschlaggebend, warum ich später dann doch als Geschützführer auf der Kanone gelandet n und kein Radarspezialist geworden bin.

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Der gerissene Gaszug

Teil 2 Freizeit der Schutzhilfe, Marseille

Nach mehreren Stunden Stadtbummel, den fast niemand enttäuscht hatte und einem McDonalds Besuch, gings mit klopfendem Herzen zurück zum Parkhaus, in dem unser luftabgelassener VW-Bus stand.

Der Bus fuhr sich ganz weich, was bei mir ein ungutes Gefühl verursachte. Nicht nur wegen einer etwaigen Polizeikontrolle, sondern vor allem wegen der Sicherheit. Daher war ich heilfroh bald eine Tankstelle zu finden, an der wir Luft tanken konnten.

Die Freude dauerte nicht lange und schon wieder hatten wir Stress. Am Campingplatz angekommen, von den anderen Leuten unserer Mannschaft leidenschaftlich begrüßt, rollte unser Bus weiter, ohne dass das Gaspedal reagierte. Aus die Maus! Jetzt stand der Bus am Parkplatz des Campingplatzes. Wir aber mussten am nächsten Tage weiter fahren, denn unser Ziel war Korsika.

Nach dem Abendessen schaute mein Kollege und ich, was mit dem Bus los war. Mir fehlte der Ausdruck, der uns in Sinn kam, als wir feststellten, warum der Bus nicht mehr fahrbereit war. Der Gaszug war abgerissen. Und nun?

Krisenmanagement war angesagt, schließlich fuhr gegen 20:00 Uhr am nächsten Tag unsere Fähre nach Korsika. Wenn wir diese nicht erreichten, wäre die Freizeit beendet gewesen, bevor sie richtig begonnen hatte.

In aller Frühe waren mein Kollege und ich beim Platzwart im Büro, wo es tatsächlich einen Mitarbeiter gab der deutsch sprach. Das war für den weiteren Ablauf sehr, sehr vorteilhaft. Ohne ihn wären wir aufgeschmissen gewesen.

Der Dolmetscher fand tatsächlich eine Werkstatt, die einen Original VW Gaszug bestellen und gegen 15 Uhr einbauen konnte.

Um unsere Mannschaft zu beschäftigen, fuhr mein Kollege diese in zwei Fuhren nach Cassis, da wir wussten, nur dort ist Baden möglich. Das Wasser an den wenigen Stränden von Marseille, war uns nicht sauber genug.

Aber wie sollte ich den defekten VW Bus in die Werkstatt bringen, die am anderen Ende dieser Großstadt lag? Ich konnte ja kein Gas geben. Da war Phantasie und Technik gefragt. Beides hatte der junge Mann vom Campingplatz, der für uns dolmetschte. Mit ihm brachten wir es fertig, das neue Abschleppseil des Busses, über den Dachgepäckträger, mit dem Gaszuganfang zu verbinden. Ein wahres Kunstwerk technischer Schöpfung. Somit konnte der Beifahrer (!!!) am Abschleppseil, aus seinem Seitenfenster heraus, Gas geben. Es war genauso abenteuerlich, wie es sich liest.

Zunächst probierten wir diese seltsame Konstruktion auf dem Campingplatz aus. Es klappte einigermaßen. Vorausgesetzt, die Kommunikation zwischen Fahrer und Beifahrer klappte. Also zwischen mir und dem jungen Mann. Denn ich gab an, wann und wieviel Gas ich brauchte und er navigierte am Abschleppseil.

Vor allem aber durften wir auf keine Polizei treffen. Die hätte mich, zusammen mit dem VW Bus, sofort eingesperrt. Auch das hätte die Freizeit der Schutzhilfe beendet.   

Das war vielleicht eine Fahrt. Auf mein Kommando zog mein junger Beifahrer am Seil und ersetzte somit meinen Fuß am Gaspedal.  Der Alluminiumdachgepäckträger war ein Original von VW. Er war äußerst flach und glatt, so dass das Seil sich gut bewegen ließ.

Mit diesem Gas Zug „alla Schutzhilfe“, fuhren wir quer durch Marseille, was uns den letzten Nerv raubte, fuhren doch die Franzosen, wie gestört, kreuz und quer, von der einen Fahrbahn, auf die andere. Der typische, französische Fahrstil eben; hupen und einfach rüber fahren, wie es einem gerade einfällt.

Einmal streikte unser patentierter Schutzhilfe-Gaszug. Mitten in einem der mehrspurigen Kreisverkehre und ich dachte schon, nun wäre es aus. Irgend etwas hatte sich am Motorblock verhakt. Zwei Schutzhilfejugendliche, die mit uns fuhren und mein junger Beifahrer mussten aussteigen und uns an den Straßenrand schieben. Das gab ein Tohuwabohu. 

Alle vier waren wir hinterher durchgeschwitzt, ob aus der Situation heraus, oder wegen der wilden Huperei der Franzosen, weiß ich nicht mehr zu sagen. Wahrscheinlich beides.

Es gelang uns die abenteuerliche Konstruktion wieder hin zu bekommen und ohne Polizei durch die ungemein befahrene Großstadt zu chauffieren.

Dennoch war ich heilfroh, als wir glücklich in der Werkstatt ankamen.

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Das Weihnachtsbild

Weihnachten war für unsere Familie schon stressig, bevor die Feiertage begannen und ihren Tribut forderten.

Meine Frau und ich wollten schon immer eine große Familie. Was mich anging, hatte ich keine Ahnung, was das in der Realität heißen würde. Meine Frau jedoch, hatte sieben Geschwister und damit mehr Erfahrung. Allerdings nur, mit Schwestern und Brüder, nicht in der Rolle als Eltern. Obwohl, also beide unerfahren, in Bezug auf das Führen einer Großfamilie, entschieden wir uns für den Trubel und viel Familie.

Obwohl dies schon in unserer Zeit ungewöhnlich geworden war. Manche Mitmenschen fanden es nicht so toll. Bei einem Spaziergang hörte meine Frau gar die Bemerkung einer anderen Frau: „Diese Itaker, mit ihrem Stall voll Kinder! Muss das denn sein?“ Dies drückte die damalige Einstellung in der beginnenden Wohlstandsgesellschaft gut aus.

Wie man uns in dieser Kategorie einordnete, war mir absolut schleierhaft, aber zurück zum Weihnachtsbild.

Sechs Kinder, vier Schwiegertöchter/söhne und zwei Enkel harrten einmal wieder Weihnachten entgegen. Dass wir so toll einen auf Familie machten, sollte alle Welt sehen und wie ging das am besten in den achtziger Jahren?

Richtig, eine Weihnachtskarte. Mit einem Familienfoto, die wir jedes Jahr an möglichst viele Bekannte, Verwandte und Kollegen sandten. Alle sollten sehen, mit welcher  Prachtfamilie sie verbunden waren. Hört sich ganz einfach an, oder?

Man nehme einen Fotoapparat, ein Stativ, alle stellen sich davor, das Bild im Kasten und ab zu der Firma geschickt, welche dann das fertige Produkt verschickte. Die Kuverts waren dabei,  Adresse, Absender, Briefmarke und alle freuten sich über den Anblick einer glücklichen Familie auf der Weihnachtskarte.

Aber so einfach lief das selbstverständlich nicht ab. Die Herausforderung fing schon bei dem Finden eines Fototermins an. Wie bekommt man es terminlich hin, wenn fünf Haushalte betroffen sind, neun Mitglieder der Familie verschiedene Arbeitgeber und somit entsprechend unterschiedliche Arbeitszeiten hatten. Zudem war nicht jeder der Teilnehmer begeistert davon. Hielt es gar für „Unsinn“.

Mehrere Termine wurden ins Auge gefasst. Kurzfristig wieder verworfen, weil einer, oder gar weitere unerwartet aus den verschiedensten Gründen heraus nicht konnten? Manchmal war es so, dass alle schon die Aufstellung für den großen Augenblick probten und der Fehlende plötzlich anrief, um abzusagen. Was war das dann für eine Diskussion, ob das Bild auch ohne das Familienmitglied gemacht werden sollte, oder nicht. Wobei der Absagende, manchmal froh gewesen wäre, wenn das Foto ohne ihn zustande gekommen wäre. Man könne ja ein separates Bild von ihm der Karte beifügen, wenn es denn sein musste. Die digitale Fotografie und das Programm Photoshop waren noch nicht erfunden. Also ein einfügen im nachhinein war damals noch nicht möglich.

Meine Frau war jedoch der Meinung, alle, oder keiner. Die Karte, nach dem ganzen Theater, ersatzlos streichen, nein und nochmal nein. Also: verschieben, neuer Anlauf.

Obwohl mehre in der Familie es kaum glauben konnte, das Wunder geschah und alle, nebst dem Border Collie „Franky“, fanden sich in unserem Wohnzimmer zusammen. Die Regie übernahm ich, doch die Protagonisten wollten sich einfach nicht fügen, vor dem großen Fenster zum Garten hin, vor dem zugezogenen Vorhang zum Esszimmer, um die Couchgarnitur gruppiert, oder vor der imposanten dunklen Bücherwand?

Die Mehrheit stimmte schließlich für die Bücherwand.

Aufstellung davor, der Zeit Auslöser und fertig?

Nein, wo war der Hund geblieben?

Aus dem Gang geholt, wo er seine Futterschüssel weit interessanter fand, als das blöde Getue im Wohnzimmer, vor die drei Kleinsten gesetzt, die das Bild nach vorne abgrenzten, wo er von der jüngsten Tochter zwischen die Beine genommen wurde.

Der Einwand, so komme er doch gar nicht aufs Bild, hatte zur Folge, dass ich erneut durch den Sucher des Fotos lugte und tatsächlich Franky war nicht zu sehen, er war nach unten abgerutscht. Erneut ein Bild, da hielt es der Hund nicht mehr vor der Tochter sitzend, aus und wieder war er weg.

Neuer Anlauf, Frauchen von Franky, meine älteste Tochter, nahm ihren Hund auf den Arm und so konnte er nicht mehr entwischen.

Durch das Blitzlicht hatten einige von uns die Augen zugemacht. Wieder nichts. Erneuter Anlauf.

Das Telefon klingelte und ich erwartete eigentlich einen dringenden Anruf vom Dienst, eine verschwundene Jugendliche, die ich ambulant betreute, wollte sich nach einer Mitteilung eines anderen, von mir betreuten Jugendlichen, melden wo sie sich aufhielt, also schnell mal ans Telefon, bevor die junge Dame wieder auflegte.

Die wievielte Unterbrechung das war weiß ich gar nicht mehr, nur dass mein ältester Sohn die Schnauze voll hatte und ankündigte er gehe jetzt. Die Nerven lagen blank. Ich sprach mit der Jugendlichen, die sich aus einer Bar heraus meldete und durchgab, wo ich sie abholen konnte. Dennoch hörte ich mit dem anderen Ohr den Aufruhr in meiner Familie, bei der die Frau vom „Ältesten“ alles aufbot, um zu verhindern, dass ihr Mann „sich vom Acker“ machte, wie sie sich ausdrückte. Ihre Bemühungen, vom Rest der Familie unterstützt, hatte Erfolg, so dass er für einen weiteren Versuch zur Verfügung stand. Endlich das Foto war im Kasten.

Was für ein Wunder, das Bild war fertig, alles gut oder?

Als die Karten, kurz vor Weihnachten eintrafen, sahen wir erst die Bescherung. Im linken Teil des Fotos war noch reichlich Platz. Niemand stand, oder saß dort. Der kleinste Enkel unterhielt sich, so sah es jedenfalls auf dem Bild aus, mit seiner Oma. Die kleinste Tochter, neben ihm stehend, hatte die Augen zu. Die Schwester des „Omakuckers“ schaute Franky, den Hund an. Der älteste Sohn, konnte sich nicht zu einem freundlichen Blick durchringen  und der zweitälteste Sohn, mit Frau, war an den rechten Rand gequetscht, gerade noch so erkennbar.

Das war das Ergebnis unserer jährlichen, aufwändigen Familiengeschichte.