Kategorien
Uncategorized

Der erste Preis, eine Reise in die Schweiz.

Wir hatten noch nie etwas gewonnen. Aber, es war eine Marotte meiner Frau, an jedem Preisausschreiben teilzunehmen. Und nun, hatten wir sogar den ersten Preis gewonnen. Eine Reise nach Thun am See, in der Schweiz. Mit zwei Übernachtungen, in einem der besten Hotels am Platz.

Immerhin ein Vier-Sterne-Hotel und das in einer der idyllischsten Gegenden der Welt. Aus den einschlägigen Blättern der Boulevardpresse wussten wir, dass die Reichsten dieser Erde dort Urlaub machten. War nicht sogar Greta Garbo dort regelmäßig zu Besuch? Einst eine berühmte Schauspielerin, dann Fürstin von Monaco.

Und nun kreuzten wir dort auf, weil wir etwas gewonnen hatten. Wir, die jeden Pfennig drei Mal umdrehen mussten, bevor wir ihn ausgeben konnten. Damals war es so. Wir waren eine Familie, die noch nichts von der großen Welt gesehen hatte und auch in absehbarer Zeit nichts davon sehen würde. Jedenfalls nicht aus eigenen Mitteln. Jetzt jedoch, standen wir an der Rezeption eines der ersten Häuser am Platz. Hotel Krone war damals, in den Siebziger Jahren, ein nobles Haus. War ein Begriff.

Ehrfürchtig standen wir in dem Eingangsbereich und fühlten uns ein wenig fehl am Platz. Wir tauchten in eine Welt ein, die wir nur aus der Zeitung kannten. Dementsprechend beklommen fühlten wir uns. Wir, das waren die Eheleute Siebler und unsere vierjährige Tochter. Die anderen Kinder, wollten nicht mit kommen.

Nur meine Frau tat so, als sei das alles völlig normal. Daher meinte sie auch, die Rezeption hätte sie sich etwas bombastischer vorgestellt. Auch das Hotel selbst. Nun gut, beeindruckend war es, auf den ersten Blick, wirklich nicht. Dennoch, ich war froh in Thun, in der Schweiz und überhaupt in einem Hotel zu sein. Vollpension. Das musste das Schlaraffenland sein. Daher schaute ich zuerst nicht so kritisch hin. Ich war selig und bereit zu nehmen, was sich mir bot. Ein herrlicher Urlaub. Köstliches Essen. Ein kleines Abenteuer.

Allerdings ließ meine Frau nicht locker. Das Essen sei mittelmäßig schimpfte sie später. Das Frühstück ebenso und überhaupt, was sei das denn für eine Unterbringung. Eine Abstellkammer. Das sei doch kein erster Preis. Eher ein Preis für arme Leute. Wer meine Frau kannte, der ahnt vielleicht, was kommen musste. Sie ließ einfach nicht locker und meinte wir sollten uns beschweren. Also ich (!), sollte mich beschweren. Natürlich, wer sonst?

Ich war eher dafür, es auf sich beruhen zu lassen. Nach dem Motto: „Einem geschenkten Gaul, schaut man nicht ins Maul.“ Natürlich war auch mir klar, dass es sicher Besseres geben könnte, als das Zimmer, welches wir bezogen hatten. Aber es war immerhin besser, als alles, was ich bisher erlebt hatte. Warum sich also die Laune verderben lassen?

Die im Hotel schauten uns schon so seltsam an, denn meine Frau war es nicht gewohnt leise zu sein. Wenn ihr etwas nichts passte, bekam das jedermann mit. Und wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, dann ließ sie sich davon nicht abbringen. Natürlich war mir bald klar, dass ich dem beständigen Beschuss, meiner hartnäckigen Angetrauten, nicht gewachsen war und so rang ich mich doch durch, mich zu beschweren. Wenn ich ganz ehrlich war, so stellte auch ich mir den Aufenthalt, in einem Vier-Sterne-Hotel, anders vor. Beim Sterne verteilen unsererseits, hätte es gerade mal knappe zwei Sterne bekommen. Also ran an die Buletten. Beschweren war angesagt.

Aber wo? Sich beim Hotel zu beschweren, würde wohl wenig bringen. Aber der Preis, den wir gewonnen hatten, war von den Fremdenbüros der Städte Mannheim und Thun ausgelobt worden. Und, wie es der Zufall wollte, war das Fremdenbüro von Thun nicht weit von unserem Hotel entfernt. Also stürmten wir dieses. Wir beide, denn meine Frau ließ mich den Kampf nicht alleine ausfechten. Im Gegenteil, sie ging, bildlich gesprochen, mit der Mistgabel voran. Fest entschlossen, sich nicht abwimmeln zu lassen.

Der Repräsentant der Thuner Urlaubslandschaft, saß zufrieden hinter seinem Schreibtisch, als wir sein Büro betraten. Er schien völlig mit sich im Reinen und sah uns erwartungsvoll an. Lange blieb das nicht so, denn meine Frau konnte eine Furie werden, wenn sie sich ungerecht behandelt fühlte.

„Soll das etwa ein erster Preis sein?“, legte sie auch gleich los und ließ seine zuvor entspannten Gesichtszüge sofort entgleisen. Dabei knallte sie die Preisurkunde resolut auf seinen Schreibtisch und zählte auf, was alles, unserer Meinung nach, nicht stimmte. Pikanterweise prangte seine eigene Unterschrift unter der Urkunde und so konnte er sich nicht herausreden.

Unsere Liste umfasste von tiefer  Enttäuschung, mangelhaftes Management, über unglaubliche Selbstüberschätzung, Respektlosigkeit gegenüber besonderen Urlaubsgästen, Unterbringung im Personaltrakt, bis hin zur tiefsten Mittelmäßigkeit. Alles, was sich in den Stunden so aufgestaut hatte, musste raus. Zum Schluss betonte meine Holde, dass all diese Unannehmlichkeiten selbst eine so herrliche Umgebung, wie der Thuner See, mit dem atemberaubenden Blick auf die Alpen, nicht wett machen könnte. Uns bliebe also nichts Anderes übrig, als die sofortige Abreise und einer Berichterstattung an die örtliche Presse.

Mit jeder Steigerung unserer Vorwürfe, schien sich der Gescholtene immer mehr zu entspannen. Warum, wurde sogleich klar, denn er drehte den Spieß um, gab meiner Frau sogar recht und erkor kurzerhand den Hotelier zum Sündenbock. Frei nach dem Motto: „Heiliger Sankt Florian verschon unser Haus, zünde andere an.“

Auch wenn er mit diesem schon eine lange Freundschaft pflege, betonte er, so verfahre man nicht mit „seinen“ Preisträgern. Entschlossen kam er hinter seinem Schreibtisch hervor, nahm uns bei den Schultern und führte uns die wenigen Schritte zum Hotel zurück. Dabei wirkte er, wie der Racheengel Gabriel in Person.

Es ist immer wieder Beeindruckend, was geschehen kann, wenn man mit den richtigen Leuten spricht und die richtigen Knöpfe drückt. So war es auch damals in Thun. Unser „Fremdenführer“, der Spezel vom Hoteldirektor, sprach kurz mit diesem unter vier Augen, ein paar Anweisungen des Hoteliers folgten und plötzlich waren alle in diesem Hotel wie ausgewechselt. Es war fast so, als wären wir plötzlich in einem völlig anderen Hotel, oder wären hochgestellte, sehr geschätzte Persönlichkeiten, die man hofierte.

Der Herr Direktor begrüßte uns überschwänglich, entschuldigte sich vielmals. In einem kleinen Festsaal, der vor Gemütlichkeit nur so strotzte, wurde schnell festlich gedeckt. Ein Platte mit hauchdünnem Speck wurde aufgefahren, Schweizer Weißwein, der Spitzenklasse und süße Hörnchen für „die Kleine“, wie sich der Chef des Hauses ausdrückte, wurden gereicht. Auf Kosten des Hauses verstand sich.

Es einspann sich daraufhin ein interessantes Gespräch, indem sich der Hotelier immer mehr ins rechte, in ein positives Licht zu rücken versuchte. Was ihm auch gelang. Als wir ihm von unserer Pflegefamilie erzählten, brach plötzlich der Damm.

Er selbst sei in einem Schweizer Waisenhaus groß geworden, nachdem seine Eltern, früh tödlich verunglückt waren, da könne man klar sehen, dass auch aus Heimkindern, oder Pflegekindern etwas Tolles werden könnte. Nachdem wir alle von der dritten Flasche Wein etwas stark beduselt waren, außer meiner lieben Frau natürlich, die keinerlei Alkohol zu sich nahm, verkündete der Hausherr, dass er, unsere Zustimmung vorausgesetzt, unser Gepäck in das exklusive Turmzimmer, das sich über drei Ebenen erstreckte, hat bringen lassen.

Damit begann unser erster Preis, wirklich etwas Besonderes zu werden. Wir zehrten noch ganz lange davon.

Kategorien
Uncategorized

Kommentar von Frau Frederike Ebli zum Roman „Tinas Tagebuch“

Zuerst muss ich zu Frau Ebli etwas sagen:

Frau Ebli war fast 2 Jahrzehnte in Rheinland Pfälzischen Landtag als  Landtagsabgeordnete, Kreistagsmitglied und im Jugendhilfeausschuss des Landkreises Ludwigshafen, eben eine wichtige Frau im SPD-Gefüge.

Sie hat ua geschrieben:

„Soeben habe ich „Tinas Tagebuch“ ausgelesen. Ich bin mehr als angetan. Es hat mir noch einmal sehr deutlich vor Augen geführt, wie wichtig und fruchtbar die Arbeit der Schutzhilfe ist. Der Epilog macht aber auch deutlich, dass es immer weniger Menschen eines Herrn Schlosser/Siebler inclosive seiner Familie gibt. Als langjähriges Mitglied des JHA des Landkreises habe ich die Arbeit der Schutzhilfe und Sie ganz persönlich immer sehr geschätzt. Ich bin jetzt der Auffassung, dass dieses Buch zur Pflichtlektüre aller JHA Mitglieder und Kreistagsmitglieder werden müsste. Ich danke ihnen für dieses großartige Buch.“

Kategorien
Uncategorized

Der Kampf mit dem Schlafsack.

„Spieß! Spieß! He Spieß! Schnell, schnell, Alarm, ich muss dringend, schnell!“, hörte ich, noch in einem wirren Traum gefangen, jemanden rufen. Aber ich wollte, ich konnte mich nicht rühren. Es war so schön warm. So behaglich. 

Dann stöhnte der Fremde: „Mein Gott, komm schon.“ Da wusste ich, es war kein Traum, diese Stimme kannte ich. Es war mein Chef. Plötzlich wurde alles klarer. Wir lagen in einem Zelt, es war saukalt, sicher einiges unter 10 Grad. Minus! Es war tiefster Winter und wir waren im Manöver. Beim Heuberg auf der schwäbischen Alb. Ich war der „Spieß“ einer Ausbildungskompanie der Bundeswehr. Und neben mir lag, tief vermummt, der Kompanieführer, ein Hauptmann, mein Chef.

„Ich komm schon. Komm schon Chef!“, rief ich, immer noch verschlafen, dennoch seltsam gespannt. Was war denn los? Wurden wir überfallen? Kam der Feind?

Mühsam versuchte ich mich aus dem dicken, gefütterten Schlafsack, den ich bis oben hin geschlossen hatte, zu befreien. Zusätzlich, zu den zwei Lagen Unterwäsche, hatte ich mich in einer Decke eingewickelt, um nicht zu erfrieren. Ich war nicht so der stahlharte Typ. Mochte es lieber warm und behaglich. Draußen im Feld, nur abgeschirmt durch hauchdünnes Zeltleinen, bei Minus zehn Grad und mehr, geht das nur, indem man eine Schicht über die andere legt. Wie eine Zwiebel. Schicht um Schicht. Daher dauerte das alles etwas länger. Das ganze Gelump gab warm, machte aber auch extrem unbeweglich.

Durch das diffuse Zwielicht unserer Funzel, sah ich meinen Nachbarn und Kompaniechef zappeln, wie ein Fisch auf dem Trockenen. Dabei stöhnte er zum Erbarmen. Was war denn nur los mit ihm?

„Mach schon Mann, ich muss pissen!“, stöhnte er jetzt jämmerlich. „Ich kann‘s nicht mehr halten!“

Fast hätte ich gelacht, denn es sah wirklich urkomisch aus, wie sich mein Kompaniechef wand und dabei zappelte. Aber das Glucksen verkniff ich mir. Eisern, denn wir kamen an sich ganz gut miteinander klar. Aber er war der Chef und wie alle Chefs extrem empfindlich.

Als Spieß, die Mutter der Kompanie, war ich für alles zuständig, was die kämpfende Truppe am Leben hält. Besser gesagt, ich musste alles beschaffen, was sie brauchten, um kämpfen zu können. Allem voran Essen und Trinken natürlich. Aber auch alles Andere. Mein Chef ließ mir freie Hand dabei und das war viel wert. Das wollte ich mir unter keinen Umständen verscherzen.

„Ich komme, ich komme Herr Hauptmann!“, rief ich daher nochmals und schälte mich, aus den letzten Lagen, meines selbst gemachten Kokons heraus.

Warum machte es der neben mir Zappelnde nicht genauso, fragt sich der*die geneigte Leser*in sicher?

Ganz einfach. Mein Chef, war noch verfrorener als ich und hatte sich von mir in zwei dicke Decken einwickeln lassen. Um den Schlafsack drumherum. Er kam also gar nicht an den Reißverschluss seines Schlafsacks heran. Seine Arme waren dadurch fest an seinem Köper gebunden. Er konnte sich nicht selbst befreien.

Das war unser tägliches, nächtliches Ritual. Ich war schließlich die „Mutter“ der Kompanie. Den Hauptmann zusätzlich in dicke Decken zu wickeln, war eine meiner Aufgaben in diesem Wintermanöver. Natürlich nahm es mein Chef damit etwas zu wörtlich. Das mit der Mutter, meine ich. Aber was sollte ich tun, ich musste ihn bei Laune halten. Ich hatte ja meine Vorteile davon. So war das eben.

Alles hatte bisher gut geklappt, aber gestern hatten wir ein „befohlenes“ Besäufnis, bei dem das Bier in Strömen floß. Das gab selbstverständlich zusätzlichen Druck auf die Blase und nun hatten wir das Malheur.

Ich also raus aus meinem Schlafsack, rüber zum Chef, der sich selbst nicht befreien konnte. Ich hatte ihn zwiebelmäßig, Lage um Lage, mühevoll eingepackt. Genauso mühevoll und zeitaufwändig, musste ich ihn nun entblättern. Zwei Decken um den Schlafsack. Im Schlafsack eine weitere Decke. Dann hatte er das langarmige Unterhemd an, darüber vom Trainingsanzug das Oberteil, zwei lange Unterhosen und noch die Trainingshose.

„Schneller! … Los, ich kann’s nicht halten, Spieß … avanti… avanti…“

Selbstverständlich war ich nur für die Decken und den Reißverschluss des Schlafsacks zuständig. Es kostete mich einige Mühe den hippeligen Offizier auszuwickeln. Dabei kamen wir uns fortlaufend in die Quere. Weil er sich schon mit der Decke im Schlafsack beschäftigte. Als ich ihn endlich befreit hatte, zischte er wie eine Rakete aus dem Zelt. Sich ihm Laufen, von seinen anderen Sachen befreiend.

Nun saß ich da, in unserem rund 16 Quadratmeter großem Zelt. Zwei Öfen, die nur noch klimmten, ein kleiner Tisch, zwei Klappstühle und Seesäcke mit unseren Klamotten. Ein Ofen verbreitete noch etwas Wärme, aber ich zitterte dennoch wie Espenlaub. Ich hoffte, dass er es noch geschafft hatte. Aus mehreren Gründen. Und ich hoffte, dass er nicht einem unserer Wachleute über den Weg lief. Das gäbe wohl ein Gelächter, wenn das im Lager die Runde machte. Ein halbnackter Hauptmann, der in dunkler Nacht, wie ein wildgewordener Pavian, zum Toilettenhäuschen stürmte. Das wäre was.

Total erfroren, zitternd und mit blau angelaufenem Gesicht, kam Herr Hauptmann zurück. Ohne ein Wort zu verlieren, ging das Ganze, in umgekehrter Reihenfolge, wieder zurück.

Kaum zu glauben, ich war noch nicht ganz fertig, da schnarchte er schon wieder. Ich glaube er war die ganze Zeit noch im Halbschlaf gewesen. Genug intus hatte er, das wusste ich.

Nur ich, ich war jetzt hellwach.