Mitte der sechziger Jahre, war ich Oberfeldwebel bei der Bundeswehr. Und, wie mehrfach schon geschrieben, Spieß einer Ausbildungskompanie.
Meine Rekruten waren also nur zur Ausbildung und 3 Monate bei uns. Dann wurden sie vom Bataillon angefordert und in andere Kompanien versetzt. Diese Kompanien suchten sich ihre Soldaten heraus. Meist schauten sie dabei nach den Berufen im Zivilleben.
Hatten wir selbst Bedarf, fischten wir uns die besten Soldaten, schon vor der Verteilung, aus dem vorhandenen Pool. Zum Beispiel für die Waffenkammer, die ungefähr 200 Waffen beherbergte. Diese mussten ständig gepflegt und gewartet werden. Überwacht durch laufende Kontrollen, standen wir ständig unter Druck, gute Leistung abzuliefern. Daher schien uns ein Ingenieur, von Mercedes-Benz, gerade recht für solch einen anspruchsvollen Job. Man gönnte sich ja sonst nichts.
So hatten wir im Stammpersonal meistens hervorragende Leute. Die Elite sozusagen. Die anderen Kompanien, mussten sich mit dem Rest zufrieden geben. So ist die Welt eben. Hart, aber ungerecht.
Mit diesen Soldaten, kamen wir bei Kontrollen, Inspektionen und sonstigen Überprüfungen immer sehr gut weg. Mein Chef, ein Hauptmann, war mehr als zufrieden mit mir, fiel doch diese Bestleistungen nicht nur auf ihn zurück. Ich war ebenso froh, weil es auch auf mich ein gutes Licht warf, da ich das organisierte.
Als Anerkennung meiner guten Leistungen, schlug mich mein Hauptmann daher bei der vorgesetzten Dienststelle, dem Bataillon, für eine besondere Auszeichnung vor. Eine formelle Anerkennung, so nannte sich das. Außer einem positiven Eintrag im Personalregister, wurde diese Belobigung, vor der angetretenen Kompanie verlesen. Das war schon was. Zudem gab es als Präsent ein Buch, das bei dieser Zeremonie übergeben wurde. Das wichtigste, aber waren drei Tage Sonderurlaub, die eine solche Auszeichnung einbrachte. Ein Häppchen persönliche Freiheit, nach dem ich, wie ein Fisch im Wasser, gerne schnappte.
Da mir das Geschäftszimmer, mit 3 Schreibkräften und einem Unteroffizier unterstand, erfuhr ich natürlich vom Schriftverkehr, der zwischen meinem Kompaniechef und dem Bataillonskommandeur geführt wurde. Es sollte selbstverständlich geheim bleiben. Was hatten sich meine Chefs eigentlich dabei gedacht? Es musste denen doch klar gewesen sein, dass mir das zu Ohren kommen würde. Schließlich waren das meine Leute in der Schreibstube. Diese hatten es mir postwendend zugeflüstert. Absolut vertraulich natürlich. Daher freute mich schon unbändig darauf, vor allem auf den zusätzlichen Urlaub.
Mein Chef fragte mich, ohne zu verraten wofür, was für ein Buch ich mir gerne anschaffen wollte oder vielleicht bald kaufen würde. Innerlich schmunzelte ich über das pfiffige Gesicht, das er dabei machte.
In den Buchhandlungen, wurde gerade ein Knüller beworben, der mich sehr interessierte. „Rettet die Bundeswehr“, von einem Herrn Studnitz geschrieben. In verschiedenen Kapiteln, belichtete dieser die Bundeswehr aus einer ganz anderen Sicht. Das fand ich spannend. Das wollte ich haben.
Mein Chef gab diese Info direkt ans Bataillon weiter. Zufrieden mit sich, dass er seinen Teil des Auftrages abgearbeitet hatte. Das Buch wurde angeschafft und dem Bataillonskommandeur zur Unterschrift vorgelegt.
Wenige Tage danach, wurde mein Chef zum Batallionskomandeur zitiert. Über den Flurfunk hörte ich auch bald warum.
Dieses Buch sei ja ungeheuerlich. Wehrkraft zersetzend. Nestbeschmutzung. So einen Schund, würde nicht mit Geld der Bundeswehr gekauft und er würde schon gar nicht darin seine Unterschrift setzen. Was er sich denn dabei gedacht hätte, wurde mein Chef angebrüllt. „Besorgen sie sofort ein anderes Buch!“
Offen sagen, wollte es mir mein Chef nicht, als er, wie ein begossener Pudel, bei mir antrabte. Also druckste er herum. Heraus musste es ja irgendwann einmal. Ich wusste bereits, was geschehen war.
Mir war dieses Spiel einfach zu blöd. Ich weigerte mich einen anderen Titel zum Besten zu geben. Ich wollte dieses Buch, oder keines. Da konnte ich stur sein. Wie ein Panzer. Wenn die Bundeswehr so etwas nicht verkraftet, dann taugt sie nichts, dachte ich bei mir. Ich kochte vor Wut. Da hätten sie mir ja gleich eine Liebesschnulze kaufen und ohne zu fragen überreichen können. Aber erst fragen und dann verweigern, das ging gar nicht.
Natürlich war mir klar, dass ich keine Anerkennung bekommen würde, wenn ich nicht ein anderes Buch nannte. Aber das war mir egal. Mein Chef wollte mir die Anerkennung unbedingt verleihen. Aber er wollte auch sein Gesicht nicht verlieren. Wie stand er denn da, wenn die öffentliche Anerkennung, die er vorgeschlagen hatte, ausfiel. Daher wirkte er mehrere Tage auf mich ein.
Vergebens. Lieber verzichtete ich auf die Auszeichnung. Wenn man mir nicht zutraute, dass ich ein sozialkritisches Buch wertneutral lesen konnte, dann machte das alles keinen Sinn, dachte ich. Und, so kam es, wie es kommen musste, die Auszeichnung fiel aus.
Leider auch die drei Tage Sonderurlaub, die ich in Gedanken schon verplant hatte. Das schmerzte mich am meisten.
Als ich hörte, ich kann das Buch bekommen, wenn ich es aus der eigenen Tasche bezahle, habe ich es beim Bataillon geholt und bezahlt. Nicht nur, weil es mich wirklich interessierte. Sondern auch aus Zorn und Trotz.
Witziger Weise befand sich die Widmung des Kommandeur unseres Bataillons doch im Buch. Jedoch ohne Unterschrift.