Als ich Spieß der Kompanie war, hatte ich viele Möglichkeiten, die nicht immer zielfördernd waren. Eine davon möchte ich spaßhalber hier erzählen.
Jede Kompanie hatte einen Aufenthaltsraum, der für verschiedene Möglichkeiten genutzt werden konnte. Was alle diese Räume gemeinsam hatten war ihre nüchterne, kalte Ausgestaltung. Einfache, schmucklose Tische, Stühle, vielleicht eine Großmuttercouch. Einziges Zugeständnis an die Gestaltung waren ein Bild oder irgendwelche Ehrenurkunden.
Dies wollte ich ändern und ließ mir etwas, meiner Ansicht nach, wirklich Phänomenales einfallen. Ein Terrarium für Krabbeltiere. Nach meinen Vorstellungen aus V-Eisenteilen zusammengeschweißt, Glas eingesetzt und nach oben mit engmaschigen Drahtgeflecht abgegrenzt. Nach unten und oben konisch zulaufende Behälter, die verbunden waren mit einem rechteckigem Verbindungsteil.
In diesem Ungetüm wollte ich ein kleines Ameisenvolk aus dem nächsten Wald ansiedeln und entsprechend versorgen. Zwei Infrarotlampen sollten Tageslicht, aber auch Wärme erzeugen.
In Gedanken sah ich mich und meine Soldaten die Ameisen beobachten, wie sie so lebten, Eier legten, die geschlüpften Jungameisen dann aufgezogen wurden. Sicherlich ein Projekt, dass alle Besucher anzog, begeistern würde und endlich einmal einen Aufenthaltsraum lebendiger gestaltete.
Die Arbeiten an dem Zukunftsprojekt zogen sich dahin. Die zwei Soldaten, die sich für dieses Wunderwerk meldeten, bekamen jeweils 2 Tage Sonderurlaub, wenn sie nach Hause mussten, um Material oder Werkzeuge zu beschaffen. Das sollte Motivation genug sein.
Jeden Tag besichtigte ich den Fortgang, auch wenn es nichts zu besichtigen gab, ich sah mich schon am Ziel meiner Phantasie.
Da kam jedoch überraschend der Bataillonskommandeur mit seinem Stab zu irgendeiner Besprechung. Weitere Kompaniechefs in seinem Gepäck. Warum die ausgerechnet in unserem Aufenthaltsraum tagen wollten, war mir schleierhaft, gab es doch beim Bataillon entsprecht ausgerüstete und viel bessere Räume hierfür.
Mein Erstaunen war grenzenlos, als mich der Herr Oberstleutnant rufen ließ. Ich sollte sofort im Aufenthaltsraum „antanzen“, so ein Ordonanzoffizier. Uniformjacke an, Mütze auf und aufgeregt „tanzte“ ich an.
„Hauptfeldwebel Siebler meldet sich, wie befohlen!“, so meine Meldung an den Kommandeur. Ich wollte eigentlich gleich nach dem Gruß mit der Hand in die „rührt euch Stellung“ gehen, doch dazu kam keine Freigabe, also blieb ich in der Habachtstellung.
„Was sind sie für ein Spieß?“, raunzte er mich an. „Was geht bei Ihnen im Kopf herum?“ Aha, das wird ein Anschiss dachte ich still ergeben.
„Das Zeug hier…“, abfällig deutete er auf das fast fertige Eisengestell des Terrariums hin, das in der Ecke des Aufenthaltsraumes thronte. „Das verschwindet sofort und kommt mir nicht mehr vor die Augen!“
„Was haben Sie sich denn dabei gedacht Herr Hauptfeldwebel? Ist ihnen nicht klar, was damit alles passieren kann, wenn die Biester ausbrechen? Ich komme aus Ostpreußen und dort haben Termiten ganze Häuser zum Einsturz gebracht. Dafür zahlt keine Versicherung.“
Immer noch stramm stehend, wurde ich von allen anwesenden Offizieren interessiert begutachtet. Ich wollte dem Herrn Oberstleutnant in Ruhe erklären, dass Waldameisen keine Termiten sind, aber das hatte mein Vorgesetzter wohl bemerkt und schrie mich cholerisch an: „Lassen Sie es ja sein! Das Zeug verschwindet. Sofort! Sie auch! Verschwinden Sie aus meinen Augen.“
Total verdattert und mit hochrotem Kopf grüßte ich, machte eine Kehrtwendung und nichts wie weg aus der Hölle mit dem Teufel, der mich vor allen so zur Schnecke gemacht hatte.
Später kam mein Kompaniechef von der Besprechung mit dem Bataillonskommandeur zurück und tröstete mich, der „Alte“ habe eben seine Mucken und ich sollte das „Zeug“ eben entsorgen. Er hätte nichts dagegen gehabt, sonst hätte er es schon längst verboten.
Dass sein Chef Ameisen und Termiten nicht auseinanderhalten konnte und da eine Phobie dagegen habe, hätte er nicht gewusst. Aber, so wie er mich kenne, fiele mir sicher wieder etwas ein. „Also Kopf hoch Spieß.“, sagte er.